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exex_2006

alex meszmer. rundgang durch die ausstellung

der titel der ausstellung stand relativ bald fest nach dem abschluss von „travelogue“ einer untersuchung zum thema glück: das unerklärliche zu erklären – einen weg zu finden in dem undurchsichtigen dschungel aus seltsamen vorstellungen, aberglauben und beschwörungen, schien uns eine adäquate aufgabe, nachdem wir versucht haben herauszufinden, was das glück ist, wo man es findet und – ganz nebenbei – wie man noch etwas über den sinn des lebens erfährt.

die geographie schien uns dafür die geeigneten methoden vorzugeben, um ein gebiet zu erfassen, dass von seiner unübersichtlichkeit lebt und das sich eigentlich einer rationalen erklärung entzieht: wir machen uns auf, wie livingstone, kolumbus oder magellan, ziehen in ein land, das andere vielleicht schon mal entdeckt haben, aber durch die dokumentation der wege und aussichtspunkte, die wir entdecken, ermöglichen wir anderen die reise und die erweiterung einer übersicht im verschwommenen.

als wegweiser und ausgangspunkt haben wir den menschen bestimmt. der mensch und seine vorstellungen geben die koordinaten vor, die es uns ermöglichen sollten einen weg durch die dschungel des geheimnisvollen zu schlagen und freizulegen, was an glaubensvorstellungen im verborgenen schlummert. der mensch hat das unerklärliche erfunden, genauso wie er sich seine religionen erschaffen hat. der mensch lebt was er glaubt, und glaubt was er lebt. ob nun der mensch oder der glaube zuerst da waren, können wir nicht klären. das ist genauso müssig wie die frage nach dem huhn und dem ei und ist auch nicht thema unserer untersuchung.

der mensch glaubt. ob er nun katholisch ist, protestantisch, buddhistisch oder atheist. der mensch kann daran glauben ein täter zu sein, oder ein opfer, er kann daran glauben, vom glück verfolgt zu sein, oder ein armer schlucker. er kann sich als grosser künstler fühlen, der von der welt missverstanden wird, was ihn bestimmt, ist sein glaube daran, an sich oder die anderen.
das i ging – ein chinesisches orakelbuch – legt für den menschen 64 grundsituationen im leben fest, die in unterschiedlicher kombination eine möglichkeit erschaffen, das eigene leben zu betrachten. auch das ist eine form der reduzierung unserer erfahrung auf grundprinzipien, die gelebt werden. wir versuchen ähnlich zu arbeiten und den menschen mit grundprinzipien zu umgeben, die aus glauben, wissen, erfahrungen und emotionen zusammengesetzt sind.

eine der hauptfragen, die sich uns bei der recherche gestellt hat, ist die frage nach macht. hat der mensch macht über sich und seine entscheidungen, oder ist diese ausgelagert, übergeben an einen gott, an dämonen, an die gesellschaft oder an mitmenschen. geht man nun davon aus, dass der mensch seine entscheidungen selber in die hand nimmt – und hier befinden wir uns auf sehr vagem boden, der eigentlich eine übersicht über mindestens 2000 jahre philosophiegeschichte enthalten müsste – dann entzaubern sich viele der unerklärlichen phänomene und schrumpfen zu formen des aberglaubens zusammen, die man ernst nehmen kann oder nicht.

als ironie des schicksals – so es dies gibt oder nicht – kann man in diesem fall die vernissage dieser ausstellung betrachten, bei der wir als projektleiter der ausstellung auf dem weg im stau festgehalten wurden, während das publikum auf die eröffnung, die rede und eine erklärung wartete. hatten wir das nun in unserer hand oder nicht?

ufo-sichtungen sind sehr eng mit glauben verknüpft – entweder glaube ich daran oder nicht; horror spielt mit psychischen phänomenen, bei denen ich mit meinen urängsten konfrontiert werde; esoterik - im allgemeinen als ein hauptthema der ausstellung angesehen - geht davon aus, dass wissen etwas besonderes ist, das nur eingeweihten vermittelt werden kann, die damit umgehen können. in dem fall könnte man esoterik als eine möglichkeit des glaubens betrachten, die in unserer rationellen welt, eine nische schafft, in der man sich mit dingen beschäftigen kann, die nach wissenschaftlichen erklärungen nicht vorkommen dürften – und vielleicht auch nicht tun. lars von triers fernsehserie „geister“ mit der wir den dunklen monat februar eingeleitet haben, spielt mit dieser diskrepanz zwischen wissenschaft und aberglauben. und am ende der serie ist uns die verschrobene drusse, die den geistern im krankenhaus die erlösung bringen möchte viel näher, als die ärzte, die sich tief in ein intrigenspiel verstricken und über leichen gehen.

andererseits überrascht mich immer wieder, warum gläubige spiritisten versuchen wissenschaftliche beweise zu erbringen, dass solche phänomene existieren.

rational, einfach und übersichtlich kann man dieses thema eigentlich nicht erklären, dann müsste man alles als humbug bezeichnen und vergessen. uns interessiert wieso sich menschen auf solche vorstellungen einlassen, wie sie damit leben und was sie daraus machen. uns faszinieren die geschichten, die anekdoten die mit dem thema verbunden sind, und wir wollen den phänomenen so auf die spur kommen. herausfinden, ob es eine bedeutung hat oder nicht, das muss jeder für sich selber leisten und entscheiden. praktikable lösungsvorschläge oder eine allgemeine anleitung dafür haben wir nicht parat.
die von uns ausgewählten künstler repräsentieren verschiedene positionen im umgang mit dem thema – es sind sowohl professionelle künstler, die in irgendeiner weise in die nähe des themas gerückt werden können, wie auch menschen aus dem esoterischen gebiet, deren arbeit als kunst verstanden werden kann.

das wartezimmer von alex meszmer und reto müller ist der ein- und ausgang zur ausstellung. nur so kann die ausstellung besucht werden. es führt kein anderer weg hinein oder heraus; als betrachter bin ich gezwungen diesem pfad zu folgen. die türen lassen sich beide male nur von aussen öffnen und könnten auch mal verschlossen sein. im raum sind gegenstände verteilt, die nach brockenstube aussehen – es gibt eine atmosphäre des gebrauchten, etwas spiessigen: die stühle stehen an der wand, die kuckucksuhr funktioniert, pflanzen und bilder, zeitschriften und bücher bieten die möglichkeit zum verweilen. das thema der arbeit ist das warten. ich kann selber entdecken, weshalb ich mich länger aufhalte in diesem raum - mögliche hinweise können mir die gegenstände geben, die mich anziehen, in denen ich blättere, die ich betrachte – ich kann sie auch als analogien für allgemeine themen wie glaube, macht, tod, geld, liebe etc. betrachten. in jedem fall bin ich mit mir selber allein. der raum wird überwacht durch eine kamera – und wenn ich den raum verlassen habe, kann ich andere beobachten oder mich beim warten beobachtet gefühlt haben.
„ich spielte in deinem garten“ ist der titel der arbeit und ich denke dabei an die möglichkeit des in sich selbst versunkenen, spielenden kindes, das sich seiner erwartungen noch nicht bewusst ist.

marcelle schaufelbergers mandalas sind sehr persönliche bilder. sie lässt sich auf den menschen ein und schafft ein individuelles, heilsames bild. ihre mandalas sind werke die aus der intuition heraus auf eine person oder einen ort bezogen sind. sie sollen ein gutes gefühl vermitteln, die person stärken und ihr mut und kraft geben – für das leben, oder auch für veränderungen. eigentlich sind diese bilder etwas sehr intimes und mehr für den privaten gebrauch bestimmt. ob diese bilder eine form der kunst sind und ob man sie ausstellen kann, wollen wir offen lassen. (16.3. mandalaworkshop)

bernadette abdallah – sutter ist eine heilerin und ein medium. sie macht digitale selbstporträts, die sich verändern, wenn sie als datei geöffnet werden: in vergrösserungen ihrer selbstporträts tauchen figuren und seltsame elemente auf, die als tiere, historische figuren oder symbole gedeutet werden können, licht und farben lassen das bild ihrer person verschwinden. es entstehen arbeiten deren urheber im geheimen bleiben. auch hier stellt sich die frage, was sind diese bilder? warum und wie sind sie entstanden? gehören sie in einen kunstzusammenhang? (7.4. öffentliches channeling)

paul harper und andrea heller kontaktierten mit hilfe eines mediums tote rockstars, mit der bitte eine persönliche top10 playlist zusammenzustellen. von serge gainsbourgh und frank zappa, von kurt cobain und sid vicious wissen wir jetzt, was sie an einer gelungenen party hören wollen oder wollten. interessant ist, wie die musik den charakteren entspricht und wie das medium die stars erlebt hat. sie können das in einem reader nachlesen, während sie dem soundtrack aus dem tartaros lauschen. sie können forschen, wer sich das lied gewünscht hat, oder sich einfach nur ein wenig berieseln lassen, während sie sich andere arbeiten in der ausstellung betrachten. (16.3. präsentation)

anne blanchet arbeitet mit alltäglichen technischen gegenständen, wie absperrschranken, automatischen türen u.ä., die sie metaphorisch und symbolisch nutzt. ihre türen öffnen sich in die tiefe und lassen einen blick in eine andere dimension, gleich welchen grades zu. sie entwickeln einen rhythmus und sie bewegen sich von selbst, wie von geisterhand und wollen doch nur als das verstanden werden was sie sind. visuelle musik, nennt anne blanchet ihre arbeit.

angekommen bei den türen von anne blanchet muss ich mich wieder auf den weg zurückmachen; es gibt keinen anderen weg hinaus und auch die hellen türen sind nur eine projektion.
wir haben der ausstellung eine geographie zu grunde gelegt; man kann sie als einen weg in das unerklärliche und wieder zu sich selbst, oder zum alltag zurück betrachten. man kann es als eine form der sichtbar gemachten esoterischen einweihung benutzen oder einfach als eine simple kopie von christoph büchels arbeit in basel (die wir leider nicht gesehen haben).
wie gesagt: der geograph reduziert die dimensionen und er wertet nicht. ob sich unsere karte als benutzenswert erweist, wird sich in den nächsten wochen zeigen.