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exex_2006/presse

Verloren im Unerklärlichen
«Geografie des Unerklärlichen» – eine Ausstellung im exex versucht,
das Unerklärliche zu erklären

Seltsames tut sich im Projektraum exex: Zu sehen sind Bilder ohne Urheber, Geister-Mandalas und ein Wartesaal in eine ungewisse Zukunft. Was fasziniert uns am Übersinnlichen? Was bewegt uns auf der Suche nach dem Innern?

 

Christina Weder

 

Ausgerechnet die beiden Ausstellungsmacher Alex Meszmer und Reto Müller, die das exex zum Warteraum umfunktioniert haben, liessen am Abend der Vernissage auf sich warten. Hatten sie sich doch vorgenommen, das Unerklärliche zu erklären, so steckten sie nun stundenlang im Stau fest. Der Abend der Vernissage musste fast ohne Erklärungen auskommen. Ein unerklärlicher Zufall hatte den beiden ein Schnippchen geschlagen.

Doch was genau ist eigentlich das «Unerklärliche»? Alex Meszmer steckt die Bandbreite ab: «Das Unerklärliche reicht vom Horror, UFO, Angstfilm bis zum Esoterischen. Von Akte X bis Geheimloge.» Bei der Ausstellung beschränken sich Meszmer und Müller auf die Esoterik, die von Kräften und Einflüssen ausserhalb des wissenschaftlich erklärbaren Weltbildes ausgeht. «Die Esoterik ist eine Geheimlehre, die nur für Eingeweihte zugänglich ist», sagt Alex Meszmer und macht sich auf, diese auch für andere zu erschliessen und ihr etwas von ihrem Zauber zu nehmen. Er will wissen, was dahintersteckt, warum man überall von Feng Shui, Aura Soma, Channeling und Astrologie spricht und was die Leute auf der Suche nach dem Übersinnlichen und Spirituellen bewegt.

 

Mit dem Haus auf dem Rücken

Helbling und Marusic' Haus «wohnt» im Moment im «exex». Mit dem kleinen schlichten Giebelhaus ist das Künstlerduo seit vier Jahren immer wieder unterwegs - es ist ein Haus zum Mitnehmen: Am Anfang stand das Bedürfnis der beiden Weltenbummler, in der Ferne einen eigenen Ort zu haben, an den man Leute einladen kann. Dem entsprang die Idee des mobilen Studios namens «Balkan TV». Dieses ist zugleich ein Ort der Begegnung, eine fiktive Fernsehstation und ein mobiler Ausstellungsraum. Auf Reisen in die Region des ehemaligen Jugoslawiens, der Schweiz und der restlichen Welt sammeln und zeigen Helbling und Marusic hier ihre Videobilder, hier wird aber auch gegessen, getrunken und diskutiert.

 

«Top Ten» von Zappa und Cash

«Ich kann die Stirne runzeln und alles als Humbug abtun. Doch gleichzeitig bin ich fasziniert von den Geschichten, die dahinterstecken», sagt Meszmer. Tatsächlich sind es auch in der Ausstellung die Anekdoten zu den Exponaten, die die Sache spannend machen. So setzt man sich beispielsweise Kopfhörer auf – noch ahnungslos, dass der Sound, der da erklingt, aus dem Jenseits empfohlen wurde. Die beiden Künstler Paul Harper und Andrea Hellmann haben nämlich mit Hilfe eines Mediums Kontakt zu zehn verstorbenen Rockstars aufgenommen und diese nach ihren aktuellen «Top-Ten-Hits» gefragt. Und die Songlisten, die dem Medium von Rockgrössen wie Kurt Cobain, Frank Zappa und Johnny Cash diktiert wurden, seien so zutreffend, meint Meszmer, dass man wirklich ins Staunen gerate.

 

Verändert und verloren

Nebenan werden farbintensive Bilder an die Wand projiziert, deren Urheber angeblich im Geheimen bleibt. Denn als die Heilerin Bernadette Abdallah-Sutter ihre mit der Handy-Kamera gemachten Selbstporträts auf dem Computer öffnete, fand sie komplett veränderte Bilder vor. Diese nutzt sie nun für Deutungen und für den Blick in ein anderes Leben. Mit Magie will dagegen die Westschweizer Künstlerin Anne Blanchet nichts zu tun haben. In ihrer fast minimalistischen Videoarbeit schliessen und öffnen sich automatische Glastüren wie von Geisterhand. Doch Blanchet sagt, sie könne alles erklären und sieht sich nicht so recht im Kontext der Ausstellung. Nichts erklärt wird leider bei den Mandalas von Marcelle Schaufelberger. Im Galerieraum werden diese in einen Kunstkontext überführt und ihrer ursprünglichen Funktion enthoben. Die Versenkung und Meditation will hier nicht gelingen. Der Laie steht etwas verloren da und fragt sich, was Farben und Formen bedeuten. Der Rückweg führt wieder durch das biedere Wartezimmer von Meszmer und Müller, das sehr an Christoph Büchels Installation in der Kunsthalle Basel erinnert. Hier wartet man – doch worauf? «Auf den Messias, Lord Maitreya und neue Propheten», wie das der Ausstellungsprospekt verkündet?

 

Verschlungene Wege

Eigentlich wartet man auf Erklärungen. Man steht in einer Ausstellung, die das Unmögliche möglich machen und das Unerklärliche erklären will und dabei auf Erklärungen weitgehend verzichtet. Die sehr unterschiedlichen Exponate stehen hier kommentarlos nebeneinander. Bei dieser «Geografie des Unerklärlichen» sind die Koordinaten noch nicht gelegt. Wenn sich die Ausstellungsmacher als Kartografen verstehen, die unerforschtes Terrain erfassen, dann wird einiges auf ihrer Karte weiss bleiben. Von den verschlungenen Wegen der Esoterik kartografieren sie nur wenige. Ob sie dem Unerklärlichen tatsächlich näher kommen, wird sich mit dem Begleitprogramm weisen. Dieses verspricht einiges – vom Tarotkartenlegen über den Mandala-Malworkshop (beides 16.3.) und ein öffentliches Channeling von Bernadette Abdallah-Sutter bis hin zu Vorträgen von Fachpersonen. Und das Trio Kuhn/Meszmer/Müller hat sich die Erklärungen zum Schluss aufgespart. Ihr Fazit wird voraussichtlich lauten: Das Unerklärliche ist wohl doch unerklärlich.

 

Aus dem ST.GALLER TAGBLATT vom Mittwoch, 8. März 2006