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exex_2006

matthias kuhn und alex meszmer: eine geografie des unerklärlichen

Beim Zeichnen von Karten, beim Erschliessen der weissen Flächen auf dem Globus, bei der Ordnung der Geografie der Erdkugel macht der Mensch sich seine Erde endgültig Untertan. Was er gezeichnet hat, hat er erschlossen: dieses Land gehört ihm jetzt und er beginnt alles Wissenswerte darüber zu sammeln. «Ein Gebiet annektieren heisst eine Karte entwerfen. Und umgekehrt hat unsere Fantasie ein Gebiet, dessen Karte wir vor uns ausbreiten, schon halb in Besitz genommen», schreibt Daniel Kehlmann. Nur ist es in letzter Konsequenz ein Trugschluss, dass wir, was wir kartografiert haben, auch kennen.

 

Jedenfalls kartografiert der Mensch dauernd, ordnet seine Geografie und versucht sein Land endgültig in den Griff zu bekommen. Er versucht sich die Welt nach seiner Vorstellung zu ordnen und schafft sich aus den Versatzstücken der alten neue Welten. Von der Welt und den Gegenden des Himmels wurden seit Jahrtausenden Karten gezeichnet. Karten, die sich mit den Jahrhunderten veränderten und den Menschen immer das Gefühl gaben, zu wissen, wo sie sich befanden. Egal ob die Welt weit draussen am Rand aufhörte, wo das Tosen des fallenden Wassers nur noch vom Brüllen der Ungeheuer übertönt wurde, egal ob der Himmel hoch oben an kristallenen Schalen begann, daran die Sterne aufgehängt waren, die einen sphärischen Klang verursachten in der unendlichen Drehung, immer sprachen die Karten von einer Weltanschauung, die ihre Welten im Griff hatte. Und – immer gab es Wissenschaftler, die die herrschenden Anschauungen in Frage stellten, die zweifelten und weiter dachten, die zu neuen Erkenntnissen kamen und die alten Anschauungen über den Haufen warfen. Es ist sehr schwer vorstellbar, wer unser aktuelles Weltbild auf den Kopf stellen könnte. Vielleicht sind es am ehesten unsere Vorstellungen des Universums, die wir uns einst neu denken müssen, weil unsere Möglichkeiten heute nicht ausreichen, dieses Universum – und allenfalls weitere, parallele – richtig zu denken.

 

Die Geografie des Unerklärlichen erfassen zu wollen, stellt sich als ebenso unüberschaubare Aufgabe heraus, wie die kartografische Erfassung eines unbekannten Planeten. Wir stehen heute hier am Rande eines ganzen Universums unerforschter Phänomene, stehen Tatsachen gegenüber von denen wir feststellen können, wie sie liegen, für die wir aber keine Erklärung haben, geradezu fassungslos sind wir angesichts der schieren Unmöglichkeit auch nur einfachste Zusammenhänge zu erkennen, geschweige denn zu erklären … Wir wollen also mit Erklären gar nicht beginnen, sondern versuchen, wie die alten Kartografen und Landvermesser mit unseren Instrumenten durch die unbekannte Geografie zu wandern und den Gegenstand unseres Interesses langsam einzukreisen, um ihm mit den Ergebnissen unserer Suche immer klarere Konturen zu geben.

 

Alles in allem haben wir eine Erkundung vor, die weniger wissenschaftlichen Pfaden folgt – wenngleich sie sich von ihren Wegweisern gerne auf neue Fährten bringen lassen wird – als vielmehr jener Neugier, wie sie Michel Butor unserem alleinigen Paten Jules Verne attestierte. Butor schrieb: Verne habe «die weissen Flecken auf der Landkarte der wissenschaftlichen Erdkunde sorgfältig inventarisiert und sie mit fabelhaften Geschichten, die in der Verlängerungslinie bekannter Tatsachen liegen, ausgefüllt».

 

In seinen Paradoxien stellt Zenon von Elea etwa 460 vor Christus in seinem 3. Argument fest, dass der sich schnell bewegende Pfeil stillsteht. Dies folgt aus der Annahme, die Zeit bestehe aus den «Jetzten», denn wenn das nicht zugegeben wird, ist der Schluss unzulässig. In dem «Jetzt» ist (etwas) immer wieder etwas, das an bestimmter Stelle ist, es ist dort aber nicht in Ruhe. Denn in dem «Jetzt» kann weder Ruhe noch Bewegung stattfinden, sondern, obwohl es richtig ist, dass in jedem «Jetzt» keine Bewegung stattfindet («keine Bewegung ist nicht dasselbe wie Ruhe) und es (das etwas) an bestimmter Stelle ist, kann es (in diesem «Jetzt») nicht in einer Zeit an bestimmter Stelle in Ruhe sein; denn die Folge wäre, dass das sich schnell Bewegende in Ruhe sei.»

 

Auch wenn sich dieses Argument durch unsere Erfahrung der Zeit leicht widerlegen lässt, finden sich ähnliche Probleme in der Physik wieder. Einstein stellt mit der Relativitätstheorie fest, dass ein Unterschied besteht, zwischen dem Bezugssystem eines Menschen, der sich zum Beispiel in einer Rakete bewegt und dem Bezugssystem eines Menschen, der den Weg das anderen auf der Erde beobachtet. Der sich bewegende Mensch altert weniger schnell, als der auf der Erde zurückgebliebene. Der sich bewegende Raum stellt somit ein anderes System dar, in dem sich die «Jetzte» anders verhalten als auf der Erde. Es gelten unterschiedliche Zeiten. Natürlich sind das hypothetische Vorstellungen, die voraussetzen, dass es möglich sein müsste sich mit Lichtgeschwindigkeit zu bewegen. Davon sind wir noch weit entfernt; allein die Vorstellung, dass es so sein könnte gibt Zenon wieder an Aktualität zurück.

 

In der Quantenphysik stossen wir auf ähnliche Problematiken: Ein subatomares Objekt, das sich durch den Raum bewegt, hat sowohl eine Position als auch einen Impuls, die wir messen können. Allerdings: «Im Reich des Subatomaren ist es unmöglich, gleichzeitig Position und Impuls einer Partikel absolut genau zu kennen. Wir können Annäherungswerte über beide Grössen ermitteln, doch je mehr wir über die eine wissen, desto weniger wissen wir über die andere. Wir können eine der beiden Grössen exakt angeben, doch dann wissen wir nichts über die andere.» Wir können lediglich Aussagen über die Wahrscheinlichkeit treffen und müssen wählen, was wir bestimmen wollen: Position oder Impuls.

 

Position und Impuls und das eingangs besprochene Paradox überträgt Gilbert Adair in seiner Erzählung «Träumer» schnörkellos in den Alltag. Er schreibt: «Warten. Für die Person die wartet, ist Zenons Paradoxie, der zufolge keine Bewegung abgeschlossen werden kann, mitnichten eine Paradoxie, sondern schlichte Lebenserfahrung. Matthew liebte diese Paradoxie. Damit Théo die Wohnung seiner Eltern in der Rue de l'Odéon verlassen und die kurze Strecke zur Rhumerie zurücklegen könnte, so Matthews Überlegung, müsste er zuerst den Boulevard Saint-Germain erreichen. Doch bevor er dort ankäme, hätte er den Carrefour de l'Odéon zu überqueren und vor dem Carrefour de l'Odéon durch die Rue de l'Odéon zu gehen und vorher von der Bordsteinkante auf die Strasse zu treten – und so immer weiter zurück, bis hin zu jenem Punkt, wo er noch reglos auf der Schwelle seines Schlafzimmers verharrte, einen Arm zur Hälfte im Jackenärmel, zur anderen Hälfte draussen.»

 

Der Mensch steht in seinem Leben zwischen den Polen Glauben und Wissen. «Glaube ist ein Fürwahrhalten, das nicht durch die notwendige lückenlose Bezeugung des Fürwahrgehaltenen seitens Wahrnehmung und Denken erhärtet ist, also keine objektiv gesicherte Geltung beanspruchen kann.» Wissen legt das philosophische Lexikon fest, «heisst Erfahrungen und Einsichten haben, die subjektiv und objektiv gewiss sind und aus denen Urteile und Schlüsse gebildet werden können, die ebenfalls sicher genug erscheinen, um als Wissen gelten zu können.» Nur, sind Erfahrungen und Einsichten nicht auch wichtige Bestandteile, die den Glauben an etwas manifestieren?

 

«Am Anfang wurde das Universum erschaffen … Viele Völker glauben es wurde von so was Ähnlichem wie einem Gott erschaffen, allerdings meinen die Javartiden auf Viltwodl VI, dass ein Wesen namens Grosser Grüner Arkelanfall das ganze Universum einfach ausgeniest hat. Die Javartiden, die in ständiger Furcht vor einer Zeit leben, die sie «Die Ankunft des Grossen Weissen Taschentuchs» nennen, sind kleine blaue Geschöpfe mit jeweils mehr als fünfzig Armen, und sie sind deshalb so einzigartig, weil sie die einzige Rasse der Weltgeschichte sind, die das Deospray noch vor dem Rad erfand. Die Lehre vom Grossen Grünen Arkelanfall hat aber ausserhalb von Viltwodl VI nicht sehr viele Anhänger und so wird, da das Universum nun mal so verwirrend ist, ständig nach anderen Erklärungen gesucht.»

 

Was bei Douglas Adams fantastisch, skurril erfunden ist, findet vielfältige Entsprechungen in nicht minder fantastischen Varianten in den Schöpfungsmythen der Völker der Erde. Bei den Polynesiern zum Beispiel sang Taaora das Land, den Himmel und am Schluss, immer lauter werdend, die Tiere und die Menschen. Interessant, dass er zu singen begonnen hatte, weil er sich einsam fühlte. Oder bei den Yorubu in Nigeria scharrte ein fünffingriges Huhn im himmlischen Sand und schuf Berge und Täler. Oder der germanische Riese Ymir der Midgard und Asgard schuf, zwei Welten, die eine für die Menschen, die andere für die Götter. Die Menschen wurden von den Göttern dann allein geschaffen, der Mann aus der Esche, die Frau aus der Ulme. Doch gibt es bereits in der Schöpfungsgeschichte der Germanen Varianten: interessant jene Vorstellung nach der, während Ymir beim Schmelzen der Eismassen entsteht, das Eis gleichzeitig eine Urkuh gebiert, die sich straks daran macht das Eis zu lecken und nach und nach einzelne Götter freizulecken, die sich wiederum fruchtbar vermehren und den Riesen Ymir umbringen, um mit seinen sterblichen Überresten die Welt zu vollenden: das Himmelszelt, die Meere, das Land mit seinen Bergen und Tälern.

 

Diese Geschichten, von denen es weltweit noch hunderte von Varianten gibt, stehen in ihrer poetischen Bildhaftigkeit alle in einem unüberwindlichen Widerspruch zu jener Erzählung der modernen Wissenschaften, die vom Urknall bis zum modernen Bild der Erde eine linear logische Erdgeschichte aufspannt. Fast möchte man sagen, dass die Unfassbarkeit und Irrationalität des Glaubens in den Mythen die schöneren Poesien – und allemal auch Fantasien – hervorbringt als die Präzision und Rationalität modernen wissenschaftlichen Denkens.

 

Glauben ist nicht rational fassbar, deswegen erscheint er uns oft so absurd, vor allem, wenn wir mit fremden Vorstellungen konfrontiert werden. Wir suchen gerne nach Übereinstimmungen mit unseren Glaubensformen, und wenn wir diese finden sind wir froh, wenn nicht fühlen wir uns angegriffen.

 

«Sie haben die Mutterkirche verlassen Herr Taads?» fragte der Kammerherr. Arnold Taads starrte ihn an und entgegnete schliesslich: «Eine Diskussion darüber sollten wir lieber vermeiden. Was ich dazu zu sagen habe, würde ihnen überaus unhöflich im Ohr klingen.» – «Ich habe auch nur Menschenohren. Gottes Ohren sind es, die Sie beleidigen.» Arnold Taads, ein erklärter Atheist, hat sichtlich Mühe, während des Abendessens der Familie Wintrop mit dem geheimen Kammerherrn des Papstes, sich und seine Vorstellungen im Zaum zu halten. «Verzeihen Sie mir meine Neugier, Herr Taads», sagte der geheime Kammerherr. «Ich verzeihe Ihnen alles, doch selbst wenn ich an Gott glaubte, hätte ich trotzdem Ihre Kirche verlassen. Was auf Leiden und Tod gegründet ist, kann nie etwas Gutes bedeuten.» – «Sie meinen das Sühneopfer von Gottes Sohn?» … «Monseigneur», sagte er dann … «Gott gibt es nicht, und somit hat er auch keinen Sohn. Alle Religionen sind die falsche Antwort auf die gleiche Frage, die immer die erste ist: Wozu sind wir auf Erden?» – «Wir sind auf Erden, um Gott zu dienen und dadurch in den Himmel zu kommen», sagte der Onkel, als hätte jemand auf einen Knopf gedrückt.

 

Glauben bedeutet für uns so etwas wie eine Erklärung für unser Vorhandensein in der Welt. Ein System der Sicherheit, das uns Schutz gewährt und uns vorgaukelt, dass unsere Existenz Sinn macht. Und dann: Gott, wozu ist er nütze, wer glaubt an ihn, gibt es ihn überhaupt? Macht er sich einen Zeitvertreib und wettet mit Mephistopheles um die Seelen seiner Schäfchen? Ist es der alte Mann mit langem weissen Bart, der dort oben auf der Wolke sitzt und herunterschaut? Oder wandelt er auf Erden wie in Peter Ustinovs Roman «Der alte Mann und Mister Smith» um herauszufinden wie aktuell er noch ist? Ist er vielleicht sogar eingeschlossen in einen Körper eines künstlich am Leben Erhaltenen, unfähig einzugreifen, wie im Film «Dogma», während die bösen Geister versuchen seine Abwesenheit zu nutzen?

 

Im Buddhismus existiert kein Gott – Buddha ist ein Mensch, der auf der Suche nach der Überwindung des irdischen Leidens seinen Weg zur Erleuchtung findet. Die Überwindung der Wünsche, des Egos führt dann ins Nirvana, in einen Zustand der Einheit mit allem – dazu braucht man keinen Gott.

 

«Gott ist tot.» In Martin Scorseses Film «Cape Fear» spricht es, der mit Gewalt in das Leben eines Intellektuellen eingebrochene Christ Robert de Niro, in einer Diskussion genervt mit, um es gleich wieder zu widerlegen. Nietzsche versucht mit dem Christentum an sich aufzuräumen und den Glauben an alles Jenseitige, Göttliche, Schöpfende als Illusion zu entlarven, als Projektionen, die einem die Sicht auf das Eigentliche, auf die Macht und den Willen dazu verbauen. Der Mensch, eingespannt zwischen Tier und Übermensch, hat sich seiner Vorstellung nach, Konstrukte geschaffen, die es zu überwinden gilt um zum eigentlichen Ziel, dem Übermenschentum zu gelangen. Gott ist blosse Illusion, Religion eine Form der Droge. Und Gott als objektive Institution, die von aussen einen wertenden Blick auf das Leben wirft, hat ausgedient.

 

«Sie glauben also an das Nichts?» Taads stöhnte. «Man kann nicht an das Nichts glauben. Am Nichtvorhandensein aller Dinge kann man kein System aufhängen.» …«Das hier ist Wirklichkeit, meinen Sie nicht auch?» – «Wenn man’s so sieht, ja.» – «Das unterliegt also nicht dem Nichtvorhandensein. Und wenn dieses Brett die Welt ist – wir wollen das einmal annehmen -, unterliegt das also auch nicht dem Nichtvorhandensein?» –«Eines Tages», sagte Taads, «werden Sie und ich, Ihre Hand und das Brett da, diese Flasche Haut Brion und all die übrige Welt dem Nichtvorhandensein unterliegen. Dann wird sogar unser Tod dem Nichtvorhandensein unterliegen, der Tod eines jeden, und damit auch jede Erinnerung. Dann sind wir nie da gewesen. So meine ich das.» – «Und damit können Sie leben?» – «Darum ging es nicht. Ich bin – und wir sind’s alle – ein Kollege des Weltalls. Wenn Sie davon ausgehen, dass das menschliche Mass nichts bedeutet und dass in Wirklichkeit nichts kleiner und nichts grösser ist, so haben wir alle, Menschen und Dinge, das gleiche Geschick. Wir haben einen Anfang genommen, und wir werden ein Ende nehmen, und dazwischen haben wir existiert, das Weltall ebenso gut wie die Geranie. Das Weltall wird ein bisschen länger bestehen als Sie, aber dieser geringe Unterschied bewirkt nicht, dass Sie sich tatsächlich voneinander unterscheiden.» – «Und der Tod?» – «Ich habe nicht die geringste Vorstellung, was das sein soll! Sie vielleicht?»

 

«‹Kann ein Kernphysiker an Gott glauben?› So oder so ähnlich lauten die Überschriften unzähliger Artikel in der Nichtfachpresse. «Juckt uns das?» wird weniger häufig gefragt. Die meisten mir bekannten Naturwissenschafter jedenfalls interessieren sich nicht für Gott und sind der Meinung, die Frage liege deutlich ausserhalb der Kompetenz der Wissenschaft.» schreibt James Hamilton-Paterson. Er ist der deutlichen Ansicht, dass die Wissenschaften rein gar nichts mit der Religion zu tun haben. Im Gegenteil hafte der Religion eine uneinsichtige Unbescheidenheit an, denn sie sei «notorisch intolerant gegenüber Zweiflern und Skeptikern». Die Wissenschaft beschreibt er als bescheidenes Verfahren, indem jeder Wissenschaftler weiss – oder wissen müsste –, dass seine Erkenntnisse provisorisch sind und jederzeit durch andere widerlegt oder revidiert werden können. «Wissenschaft ist keine Ideologie, sondern ein Verfahren, ein langsam fortschreitendes Streben nach Erkenntnis. Die Religion zeugt von ewigen Wahrheiten, die unveränderlich sind.»

 

Wissenschaft hat nichts mit Glauben zu tun, Religion selbstredend alles. Wissenschaftliche Erkenntnis ist jederzeit überprüfbar. Religiöse Erkenntnis beruht auf individueller Erfahrung und Glauben, und lässt sich von dritten nicht überprüfen.

 

«Die Implikation, dass so viele für unser Leben und unser Schicksal entscheidende Informationen sich voraussagen lassen, wirkt auf viele Menschen beleidigend und beunruhigend. Die Leute lieben Rätselhaftes und empfinden es als tröstlich.» Dieser Trost liegt darin, dass das Rätselhafte uns überbordend viel Platz lässt für unsere Emotionen. Präzise Informationen hingegen untergraben unsere Individualität. Diese Verärgerung über uns gängelnde Wissenschaften, schreibt Hamilton-Paterson «äussern sich gern im trotzigen Glauben an nicht greifbare Phänomene: Pseudowissenschaften wie Astrologie, Farbtherapie oder Handlesekunst, die den Rationalismus vollkommen negieren. Manche Phänomene wie zum Beispiel übersinnliche Wahrnehmung lappen insofern in den Bereich der konventionellen Wissenschaften, als sie angeblich überprüfbares Datenmaterial liefern; doch bisher hat nichts davon normalen wissenschaftlichen Tests standgehalten.»

 

Am Rätselhaften, Unverständlichen, Unerklärlichen relativiert sich unsere Intelligenz. Das Forschen – und damit den Fortschritt – überlassen wir den Wissenschaftlern. Die Zusammenhänge sind so komplex geworden, dass wir bei einfachsten Übungen scheitern.

 

Diese Entwicklung führt zwingend zu der Feststellung, dass wir auch gar nicht alles wissen müssen. Zwischen den komplexen Zusammenhängen die zum Treibhauseffekt führen und den politischen Zusammenhängen in Nahost gibt es unzählige Themen, denen wir, selbst wenn wir uns täglich informieren, nicht gewachsen sind. Dass Menschen sich da im Rätselhaften, Geheimnisvollen zu finden – oder vielleicht sagte man besser: zu verstecken – versuchen, ist nichts anderes als eine Flucht.

 

Hamilton-Paterson bringt es auf den Punkt. Er schreibt, es falle schwer «all die Formen von Aberglauben, religiösen und irrationalen Vorstellungen nicht als verschiedene Bemäntelungen ein und derselben verzweifelten Bemühung zu sehen: des Nicht-wahrhaben-Wollens des Todes. […] Die blosse Beobachtung der Natur bestätigt die Unabwendbarkeit unseres eigenen Sterbens. Wer diese unangenehme, traurige Tatsache nicht hinnehmen kann, erfindet für sich eine unsterbliche Seele und nährt diesen Glauben mit allen möglichen Mitteln - egal, ob diese intellektuell jämmerlich oder kulturell grandios sind. Die Menschheit ist andauernd bemüht, sich ihre Sterblichkeit nicht einzugestehen. Ihr religiöser Glaube ist nichts anderes als die Stimme der Verzweiflung.»

 

Es gibt neben dem Tod, der in seiner Unabwendbarkeit eigentlich am Ende wenig geheimnisvolles an sich hat, nichts, bei aller Wissenschaft und allem Glauben, gar nichts, das so unerklärlich, ja unbegreiflich und unfassbar ist, wie die Liebe. Roland Barthes hat sich auf dem Gebiet dennoch ausführlich versucht und ist unter anderem zu folgender Formulierung gekommen: «Versuche des Liebenden Subjekts, das geliebte Wesen «an sich» zu verstehen und im Sinne des charakterologischen, psychologischen oder neurotischen Typs zu definieren, unabhängig von der besonderen Gegebenheit der Liebesbeziehung. Unbegreiflich.»

 

Was sollen wir also beifügen? Am besten lassen wir die Liebe selber sprechen. Ein Mädchen steht des Nachts am Fenster und schaut auf den Garten hinaus. Sie hat sich auf einem Fest am Abend Hals über Kopf in einen Jüngling verliebt, der geheimnisvoll zwischen den Gästen auf- und untertauchte, kurz mit ihr sprach, sie zweimal flüchtig küsste und dann verschwand. Ihm geht es nicht anders, er denkt nach den zwei Küssen fortwährend nur noch an sie. Der Jüngling steht im Garten verborgen und hört dem Mädchen zum, wie es in die Nacht hinaus spricht. Das Mädchen hat von ihrer Amme erfahren, wer der Jüngling ist, der Jüngling weiss ebenfalls, wer das Mädchen ist. Nichts wird sie hindern können sich zu lieben, obwohl ihre Familien in Streit und Fehde leben.

 

Romeo, so heisst der Jüngling, spricht im Schutze der Gebüsche still für sich: «Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? / Es ist der Ost, und Julia die Sonne!-- / Geh auf, du holde Sonn! Ertöte Lunen, / Die neidisch ist und schon vor Grame bleich, / Dass du viel schöner bist, obwohl ihr dienend. / O da sie neidisch ist, so dien ihr nicht! / Nur Toren gehn in ihrer blassen, kranken / Vestalentracht einher; wirf du sie ab! / Sie ist es, meine Göttin, meine Liebe!»

 

Und Julia, das Mädchen am Fenster, sinniert über die Feindschaft der beiden Familien: «Dein Nam ist nur mein Feind. Du bliebst du selbst, / Und wärst du auch kein Montague. Was ist / Denn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuss, / Nicht Arm noch Antlitz, noch ein andrer Teil / Von einem Menschen. Sei ein andrer Name! / Was ist ein Name? Was uns Rose heisst, / Wie es auch hiesse, würde lieblich duften; / So Romeo, wenn er auch anders hiesse, / Er würde doch den köstlichen Gehalt / Bewahren, welcher sein ist ohne Titel. / O Romeo, leg deinen Namen ab, / Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist, / Nimm meines ganz!»

 

Die tragische Geschichte der Liebe zwischen Romeo und Julia, wie sie William Shakespeare erzählt, ist bis heute das Vorbild vieler Liebesgeschichten geblieben. Und es lässt sich wahrlich keine andere Liebe denken, die bis zum letzten Atemzug leidenschaftlicher wäre, als die zwischen Romeo und seiner Julia.

 

«Und so im Kusse sterb ich», sagt Romeo, als er an Julias vermeintlichem Totenbett das Gift trinkt. Und Julia, erwachend, als sie Romeo tot zu ihren Füssen findet: «[…] Ich will / Dir deine Lippen küssen. Ach, vielleicht / Hängt noch ein wenig Gift daran und läßt mich / An einer Labung sterben.»

 

Das Faustische als die kennzeichnende Eigenschaft des abendländischen Menschen mit seinem nie befriedigten Drang nach Erkenntnis der Wahrheit, des absolut Gültigen, der letzten Dinge, scheint eine der Grundeigenschaften des Wissenschaftlers zu sein. Dies steht im Gegensatz zum apollinischen Menschen der griechischen Antike; hier begegnen wir wieder Nietzsche, der den Menschen als dionysisch ansieht – auf dem Irrweg des appollinischen wandelnd. «Hab nun, ach! Philosophie, / Juristerei und Medizin / Und leider auch Theologie / Durchaus studiert, mit heissem Bemühn. / Da steh ich nun, ich armer Tor! / Und bin so klug als wie zuvor […]»

 

Faust geht auf Grund seines Strebens nach Erkenntnis einen Bund mit Mephistopheles ein, dem Teufel. Das Wissen, oder zu viel Wissen, von jeher von der Kirche und auch von den Oberen gefürchtet, wird gern dem Teufel zugeschrieben, oder wird als eine Gefahr angesehen, die zu bösen Taten verführt. Dies erlaubt es, Wissen als geheim anzusehen und nur Wenigen, Auserwählten zugänglich zu machen.

 

«[…] Drum hab ich mich der Magie ergeben, / Ob mir durch Geistes Kraft und Mund / Nicht manch Geheimnis würde kund; / Dass ich nicht mehr mit saurem Schweiss / Zu sagen brauche, was ich nicht weiss; / Dass ich erkenne was die Welt / Im Innersten zusammenhält, / Schau alle Wirkenskraft und Samen / Und tu nicht mehr mit Worten kramen.»

 

Schon Friedrich der Grosse befürchtete bei der Einführung der Schulpflicht, dass zu viel Wissen schädlich wäre und erlaubte nur Grundlagen zu lehren, damit «…nicht alle Sekretärs» werden wollen. Allerdings bleibt die Frage, wer auserwählt ist, um Zugang zu solchem Wissen zu erhalten. Und nicht immer ist die Zuordnung so einfach, wie sie es noch im 18. Jahrhundert für den Adel war, der seinen Status erhalten wollte.

 

Die Religionen sind eine Erfindung des Menschen. Buddha, Jesus, Mohammed, die Personen aus dem Alten Testament, Konfuzius und auch die meisten Gründer der anderen Religionsformen sind Menschen, deren Beispiel und Lehre sich zu Glaubensystemen geballt und verselbstständigt haben: ein Mensch beginnt mit etwas Neuem, andere Menschen benutzen das Glaubensmaterial, verändern es, verdichten es, oder interpretieren es einfach neu.

 

Nach altindischen Vorstellungen wird Lord Maitreya in Abständen reinkarniert, um den Menschen eine Fortsetzung von göttlichen Lehren zu bringen und da die Zeiten von Buddha und Jesus schon ein wenig her waren, machte sich im 19. Jahrhundert die Theosophische Gesellschaft auf um den neuen Messias und grossen Weltenlehrer zu finden, und… Fand ihn. An einem Strand in Indien. Sie lasen das Kind auf, bildeten es aus, liessen ihm alles zukommen, was ein Messias so braucht … Allerdings: Er sagte: NEIN. Krishnamurti lehnte es ab, der Messias zu sein. Allerdings begann er trotzdem, und sehr zum Verdruss der theosophischen Gesellschaft, zu lehren. Selbst von schöner Gestalt beeindruckte er seine Zuhörer (und Zuhörerinnen) und lehrte, dass der individuelle Weg ebenso ins Heil führt – vielleicht sogar noch besser, als die herkömmliche Vorstellung: Ohne Meister, ohne Definitionen, ohne vorgeprägte Vorstellungen.

 

Allen Religionen ist gemein, dass sie für ihre Mitglieder eine spezielle, geheime Sparte bereithalten: die Mystik. Mystisches Wissen wird geheim gehalten und nur besondere Mitglieder einer Gemeinschaft werden darin unterwiesen, sie werden «eingeweiht».

 

Esoterik bedeutet: eine nur für Eingeweihte oder Fachleute verständliche, geheime Lehre einer Religion oder Schule. Diese Geheimlehre darf nicht weiter verbreitet werden. Die jüdische Kabbala, die griechischen Mysterien, die gnostischen Lehren sind ebenso wie die Lehren der Theosophen und der Antroposophen, Geheimlehren. Auch Alchimisten und Freimaurer bemühen sich um diese Aura des Geheimnisvollen.

 

Esoterik hat sich in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Das Wissen ist längst nicht mehr so geheim wie anno dazumal, und mit genug Geld und Zeit lässt man sich heutzutage in das Machen von Lichtsäulen, Heilen mit Handauflegen, Feng Shui und andere hochheilige und geheime Riten einweihen. Das Geheimnisvolle und Besondere ist geblieben. Solche Seminare besucht, wer nicht durch die Preise oder eine besondere Sprache und besonders bewusste Menschen abgeschreckt wird.

 

Die Elemente des Übersinnlichen und Rätselhaften, die die Esoterik wie Löcher in einer von der Wissenschaft erklärten Welt noch heute mit allerhand faulem Zauber zu stopfen versucht, waren schon an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, vor allem in England hoch im Schwange und führten direkt in die Ära des Gothic Movement. das sich in der Malerei und der Dichtung mit nichts anderem als eben dem Übernatürlichen, dem Extremen und Grotesken auseinander setzte. Horace Walpole stand mit seiner als gotische Geschichte bezeichneten Erzählung «The Castle of Otranto» am Anfang dieser Bewegung. Der italienische Maler Salvator Rosa und der Schweizer Johann Heinrich Füssli taten ihren Teil zur Bebilderung der Fantasien. Füssli schaffte es sogar mit einem einzigen Bild – «Der Nachtmahr» – zu einem Vorreiter zu werden. Sein Bild zeigt besonders eindrücklich, wie nahe das Grauen und das Schöne zusammenliegen. Die schlummernde Schöne, ein bleiche, leblose auf einer Liege ausgestreckte Weibsperson, wird von einem schaurigen Nachtgespinst geplagt, einem fürchterlichen Ungeheuer, das ihr eigener Traum geboren hat.

 

Bei Walpole lag das Schaurige noch sehr nahe beim grotesk Verspielten. So beginnt «Die Burg von Otranto» damit, dass ein überdimensionierter Helm vom Himmel in den Burghof fällt und den Bräutigam erschlägt, auf den alle in der Kapelle gewartet haben. Als die Braut dann vor dem Schwiegervater, Manfred, dem Fürsten von Otranto, flieht, weil dieser ihr in der Not, ungeachtet der anwesenden Fürstin, seine eigene Hand angeboten hatte, beginnt in den Kellern und Verliessen der Burg die eigentliche Gothic Novel. Damit sind einige der Zutaten die es zu einer Schauergeschichte braucht, bereits vorgegeben. Die ganze Reihe von englischen Autorinnen von Schauergeschichten – von William Beckford, Matthew Lewis, Ann Radcliffe bis zu Mary Shelley und Charles Robert Maturin – verwendeten sie wieder und wieder: Friedhöfe, Gräber, Kerker, Kirchen und Kapellen, Gefangene in Ketten, Leichen, Gespenster, wahnsinnige Mönche und gefallene Mädchen.

 

Und selbstverständlich spielt auch da immer wieder das alte Missverhältnis der Kräfte von Gut und Böse hinein. Nicht selten tritt der Teufel auf – grad so wie in Goethes Faust vorhin – und trägt seinen Teil zur allgemeinen Verwirrung und Verführung bei. In William Beckfords «Vathek» tritt er in Gestalt eines greisen Inders auf, verlockt den jungen Kalifen Vathek mit wunderbaren Geschenken und macht sich mit geneigten Profezeihungen unentbehrlich. Als sich plötzlich alles zum Schlechten wendet, die Anzeichen der Zukunft haben sich über Nacht verkehrt, wird der Kalif ernstlich krank. Der Alte heilt ihn und wird vom Volk als Retter besungen. Der Kalif allerdings wird misstrauisch und der Alte verschwindet ziemlich effektvoll. Er erscheint dem Kalifen nun in seiner wahren Gestalt, als donnernder Giaur: «Willst du dich mir ergeben, die irdischen Kräfte anbeten und Mahomed verleugnen? Tust du das, so werde ich dir den Palast des unterirdischen Feuers öffnen. Du wirst daselbst in ungeheuren Gewölben Schätze sehen, welche dir die Sterne versprochen haben.» Natürlich lässt sich der Kalif vom Reichtum des Fürsten der Finsternis verführen und nimmt dessen Handel an. Dass das alles ins Unglück führen muss, ist wohl zu erwarten.

 

Umso erstaunlicher ist das Schicksal Vatheks, weil er doch für unseren Begriff alles hatte, was man zum Glück braucht. Beckford beschreibt seinen Reichtum und sein Glück ausführlich. An Glanz habe er alle seine Vorfahren übertroffen, heisst es. Und weiter: «In dem ersten der fünf Paläste waren die Tische stets mit den ausgesuchtesten Speisen bedeckt. Tag und Nacht, sobald sie kalt geworden waren, wurden sie erneuert. Die feinsten Weine und Liköre flossen in Strömen aus hundert Springbrunnen, die nie versiegten. Dieser Palast hiess «Das ewige Fest» oder «Der Unersättliche».» Weiter beschreibt er den «Tempel der Melodie», dann das «Entzücken der Augen», welches ein einziges Wunder war, eine Sammlung von Seltenheiten aus allen Ecken der Welt in schönster Ordnung präsentiert. Weiter geht es mit dem «Palast der Wohlgerüche» und der unvermeidlichen «Wohnung der Freude». «Hier waren viele junge Mädchen und Frauen. Sie waren schön und verführerisch […] und wurden nie müde, diejenigen wohl zu empfangen, denen der Kailf ihre Gesellschaft gewährte.»

 

Im Genre des Horrorfilmes hat das Gotische bis in die heutige Zeit überlebt. Und ab und zu erscheint auch ein neuer Roman, der mit den Elementen der Gothic Novel umgeht. Eines der gekonntesten Beispiele ist sicher der Roman «Die Pendragon-Legende» des Ungarn Antal Szerb. Er schickt den ungarischen Wissenschaftler Janos Batky auf eine Reise nach Wales, wo er seiner Leidenschaft nachhängen will, der Forschung über die englischen Mystiker des 17. Jahrhunderts. Auch hier sind alle Zutaten zu finden, die notwendigerweise zu einer richtigen Spukgeschichte gehören. Schloss Pendragon ist der richtige Ort, die Gänge und Hallen, die Gemächer und zuletzt die Bibliothek sorgen für die Ambiance, eine junge, emotionale Frau verkörpert das Leben von heute, der junge, rational denkende Wissenschaftler steht im Widerstreit zwischen gestern und heute, hinzu kommt der verschwiegene Schlossherr selbst, der hinter verschlossenen Türen in seinen Gemächern und Laboratorien seine Forschungen betreibt und am Ende auch noch ein seit Jahrhunderten verstorbener Ahnherr.

 

Schon in seiner ersten Nacht auf Schloss Pendragon sinniert Batny, von seltsamen Geräuschen geweckt, über das Gespenstische nach: «Das Gespenstischste auf der Welt ist jedoch, dass es keine Gespenster gibt. Alles hat seinen Sinn, nur wusste ich nicht, wo ich diese Erscheinung hintun sollte. Was macht ein Mensch, wenn vor seinem Zimmer um Mitternacht eine mittelalterliche Gestalt steht, die tatsächlich ein Gespenst ist? Ganz im Gegenteil: Sie erfreut sich bester Gesundheit, sieht einen nur etwas unfreundlich an, fragt aber trotzdem höflich: ‹Vermissen sie vielleicht etwas?›.» In so einer Situation ist ein Rationalist wie Batny natürlich hoffnungslos verloren.

 

Es ist kein Wunder, dass viele Versuche das Unverständliche zu erklären zu wilden Verschwörungstheorien führen. Die Illuminati sind dann gern mit von der Partie, oder die Rosenkreuzer. Alle zusammen vor allem deshalb geeignet, weil sie Geheimbünde genannt werden, und die einzelnen Mitglieder oft nicht einmal die andern Mitglieder kennen. Soviel Geheimnis bietet sich für die Schuld am Unerklärlichen an. Umberto Eco hat bereits mit seinem ersten Roman mit diesen Elementen gearbeitet, andere, noch erfolgreichere Autoren haben es ihm nachgetan. So ist auch in den Lara Croft Geschichten – wie schon bei Indiana Jones vor ihnen – die Suche nach den Geheimnissen des Lebens getoppt mit den undurchsichtigen Machenschaften geheimbündlerischer Reicher und Mächtiger. Dass Croft nach dem Geheimnis der Zeit sucht und später nach der Büchse der Pandora, vor der sie die Welt bewahren muss, dass nicht alles Böse über die Menschheit komme, zeigt, in welch effektvoller Art das Unerklärliche auch hier mit dem Geheinnisvollen zusammenkommt.

 

Will-Erich Peukert sieht im Menschen eine Grundveranlagung zur Vergesellschaftung und zum Bund. «Sobald sich Menschen zu einer Gruppe zusammenschliessen, treibt diese Vereinigung unwillkürlich zur Absonderung und zum Geheimnis. In jedem Gesangsverein, in jeder Kegelgesellschaft gibt es bestimmte «Vereinsangelegenheiten», in jeder Kompagnie «Sachen der Kompagnie», die andere Kompagnien nicht erfahren sollen, und diese geheimzuhaltenden Sachen werden immer stärker, je mehr solch eine Vereinigung dem allgemeinen Leben widerspricht. Sie führen andererseits zum festeren Zusammenschluss der Mitglieder des Bundes, zu Aufnahmeproben und Aufnahmeriten zu Initiationen. Es gibt geschlechtsspezifische Unterschiede: Männerbünde neigen eher zu Abenteuer, Mut und Kampf, religiöser Bedingtheit und Festfreuden, Weiberbünde scheinen eher mit dem Geschlecht zusammenhängende Probleme in den Vordergrund zu stellen. Das Leben in der Gemeinschaft eines Bundes ist dann wieder eine Vorbedingung für einen Geheimkult – und zwischen Geheimbund und Geheimkult muss unterschieden werden. Das «Kultische» will und bedeutet Verehrung, Gottesdienst und verehrendes Tun. Und im Kult wird gesucht nach dem Aussergewöhnlichen, dem nicht geregelten, nicht normalen Weg zur religiösen Erfahrung, dem Numinosen: Semele, die Zeus in seiner wahren Herrlichkeit schauen durfte und verging. Moses, der «Ihm» nur nachsehen durfte und dessen Gesicht man danach nicht mehr ansehen konnte …

 

Das von einem Einzelnen gefundene Wissen wird kultisches Geheimnis, indem es vergesellschaftet wird. Es wird dadurch Besitz und kostbar gehütetes Geheimnis einer Gemeinschaft, eines Glaubens oder eines Bundes. Und dadurch ergibt sich ein Problem mit zwei Tendenzen: die Unvereinbarkeit des in der Gesellschaft ausgeübten Kultes mit dem individuellen mystischen Erleben, denn das Ziel des Kultes ist einzig und allein vom Einzelnen erreichbar.

 

«Natürlich waren wir alle dort – sagte der uralte Qfwfq – wo denn sonst? Dass es einen Raum geben könnte, wusste ja damals noch niemand. Und eine Zeit, dito – was hätten wir auch mit ihr anfangen sollen, zusammengedrängt wie Ölsardinen? Ich sage «zusammengedrängt wie Ölsardinen» bloss so, als literarisches Bild: in Wirklichkeit gab es nicht mal genug Raum, um sich darin zusammenzudrängen. Jeder Punkt von jedem von uns fiel mit jedem Punkt jedes andern von uns in einem einzigen Punkt zusammen, der eben der war, in dem wir uns alle befanden. Wobei wir uns eigentlich gar nicht mal störten, höchstens in Hinblick auf den Charakter, denn wenn kein Platz ist und man immerzu so einen Unsympath wie den Herrn PbertPberd zwischen den Füssen hat, ist das schon wirklich sehr störend.» Italo Calvino beschreibt in der Geschichte «Alles in einem Punkt» den Zustand vor dem Urknall und dessen Auslöser. Das Bewusstsein ist durch verschiedene Charaktere bereits vorhanden: Der erwähnte unbeliebte Herr PbertPberd, Frau Ph(i)Nk0, ihren Freund De XuaeauX und eine Familie von Zugereisten namens Z’zu, die sich in dem ganzen Punkt ausbreiten, und sogar eine Wäscheleine quer durch den Punkt spannen, in dem sich zugleich auch alle anderen Bestandteile des Universums befinden: der Andromeda-Nebel, gewisse Berryllium-Isotope und die Vogesen. Auslöser für den Urknall ist die Frau, Frau Ph(i)Nk0 – deren, zugegeben sehr italienischer Wunsch, für alle Nudeln zu kochen, den Urknall auslöst, und alles expandieren lässt.

 

Vielleicht ist gerade der Urknall nun endlich der Anlass über den Begriff des Wunders etwas nachzuforschen und nachzudenken. Vielleicht ist es auch der völlig falsche Zusammenhang. Je nachdem, wie man das sieht. Denn wie so oft bei unserem Thema stehen sich auch beim Wunder die strikte Meinung der Wissenschaft und diejenige der diffus Gläubigen gegenüber. Die Wissenschaft versucht selbstverständlich das Wunder aufgrund von Gesetzen der Natur zu erklären, der Glauben gebietet nichts anderes als das Wunder als solches zu akzeptieren.

 

Was sicher ist, wir sprechen bei Wundern über jene Ereignisse, die uns – mindestens auf den ersten Blick, meistens auch noch auf den zweiten – so ganz und gar unerklärlich sind, die immer überraschend auftreten und uns in jedem Fall in unseren festen Überzeugungen erschüttern und uns mahnen, dass alles anders sei, als wir bis anhin angenommen hätten.

 

Allerdings müssen wir unterscheiden: In früheren Jahrhunderten galt das Andersartige, das Reisende und Forscher aus fernen Ländern nach Hause brachten als Wunder, weil es in seiner Art unbekannt war und die Menschen zum Staunen brachte. Dazu gehören zuerst die schlichten Beschreibungen von Ländern und Landschaften, von Mensch und Tier und natürlich mitgebrachte Gegenstände, die von den Sammlern des 18. Jahrhunderts in den Wunderkammern gehortet wurden. Auch Abnormitäten, Monstruositäten und Abstrusitäten auch aus unseren Breitengraden kamen dazu. Gegenstände von besonderer Raffinesse und hoher Handwerkskunst wurden – ganz im Sinne der sieben Weltwunder – ebenfalls dazu gezählt.

 

Zum Beispiel schilderte Marco Polo in seinen Reiseberichten, die Bewohner der Andamanen-Inseln als hundsköpfig. Bildliche Darstellungen zeigen die als reich und zivilisiert geschilderte Menschenrasse beim Handeln und Tauschen. Gerade fremde Menschen und exotische Tiere haben den Wunderglauben der abendländischen Menschheit angestachelt. Ebenfalls von Polo stammt eine Schilderung, die uns heute seltsam normal erscheint: «Das Land bringt eine Vielzahl von Tieren hervor, die anders sind als alle anderen in der Welt. Da gibt es schwarze Löwen […]. Es gibt vielerlei Papageien. manche sind gänzlich weiss […]. Dann gibt es Pfauen von anderer Art als die unseren […]. Was muss ich dazu noch sagen? Alles dort ist anders als es bei uns ist und ist überragend an Grösse und Schönheit. Sie haben keine Frucht, die der unseren gliche, kein Tier, keinen Vogel.» So steht bei Polo, er schreibt es ja selber, das andersartige im Vordergrund: Anders jedenfalls als bei uns.

 

In ihrem Buch über «Wunder und die Ordnung der Natur» schreiben Lorraine Daston und Katharine Park: «Das Glauben an ursächlich unbegreifliche und von der Natur her unmögliche Ereignisse war die Pflicht des Frommen; ein solches Glauben, mit dem begleitenden Gefühl des Staunens, bezeugte eine lobenswerte Haltung des Gehorsams, der Bescheidenheit und des Gottvertrauens. […] Einige christliche Schriftsteller […] sahen im Skeptizismus gegenüber Wundern geradezu das Wahrzeichen des engstirnigen und misstrauischen Bauerntrampels, der in den engen vier Wänden seiner begrenzten Erfahrung eingesperrt sass, während Glauben die Frommen, die Gelehrten und theologisch Gebildeten charakterisierte.» Tertullian sagte es kürzer: «Es ist gewiss, weil es unmöglich ist.»

 

Heute brauchen wir da sehr viel mehr um einen Gegenstand oder ein Ereignis als Wunder anzusehen. Natürlich ist auch unsere Skepsis grösser denn je. Und auch unser Selbstverständnis, das uns warnt, sobald etwas nicht in unser Schema passt. Wir sagen dann höchstens, dass wir nicht verstehen, was passiert ist, dass es unmöglich sei, das glauben wir nicht und dass es wunderbar wäre, würden wir nie und nimmer zugeben. Wenn wir ausrufen: «Ein Wunder ist geschehen» oder auch «Es geschehen noch Zeichen und Wunder», meinen wir heute etwas sehr viel profaneres als man früher meinte. Es geschieht noch unerwartetes, das ja, aber geschehen heute noch Wunder? Gemeint ist damit sicher etwas, das man so nicht (mehr) für möglich gehalten hätte. Was dann auch eher zynisch zu verstehen ist. In jedem Fall.

 

«Der echte Schüler lernt aus dem Bekannten das Unbekannte entwickeln und nähert sich dem Meister.» Monkey, der freche Affenkönig aus der chinesischen Sage von Wu Chen-en, lernt von einem taoistischen Meister so viele Fertigkeiten wie nur möglich: 72 verschiedene Formen der Verwandlung, unsichtbar sein, unsterblich werden und was sonst noch so alles dazu gehört. Da er selbst den grossen Jade Kaiser des Himmels, die einzige wirkliche Autorität über den Himmel, die Erde, die Meere und die Unterwelt nicht respektiert und auch noch den Himmel in Aufruhr bringt, wird er von der grossen Göttin Kuan Yin, einer Boddisattva und damit Verkörperung von Buddha, unter einen Berg gesperrt, mit der Auflage in der fernen Zukunft einen Reisenden zu begleiten, der die Schriften des Buddhismus in Indien holen gehen wird…

 

Meister wissen es besser und geben den Schülern Aufgaben. Die Schüler versuchen diese Aufgaben zu lösen und im Leben zu bestehen – und können dadurch in ihrer geistigen Entwicklung reifer werden. Bis sie – nach langen Prozessen der Entwicklungen und Einweihungen, endlich selber aufsteigen können. Der Schüler muss Vertrauen entwickeln in seinen Meister, denn der Meister weiss was gut für den Schüler ist. Warum muss die so genannte andere Welt – sei es nun in der Esoterik oder im mystischen Beiwerk der grossen Religionen – warum muss auch diese Welt unbedingt hierarchisch aufgebaut sein! Sind die Vorstellungen vom Jenseitigen ein Spiegel der Vorstellungen und Verhältnisse der jeweiligen Zeit? Vielleicht sogar ein ziemlich genauer? Gott oder die Götter ganz oben, allein, im Triumvirat oder in Scharen; dann die Engel, Geister, Dämonen und Untergötter und darunter, ganz am Ende nach noch einigen Zwischenkategorien: die Menschen.

 

Worauf schnellfertig der Satan zu ihm sprach: «Gefallner Cherub, schwach zu sein ist elend, / ob handelnd oder leidend; dessen sollst / du stets gewiss sein. Gutes je zu tun / wird niemals unser Auftrag, sondern immer / Böses zu tun uns einzig nur ergötzen, / das Gegenmass zum hohen Willen dessen, / dem wir uns widersetzen. Wenn also / [Gottes] Voraussicht strebt, aus unserm Bösen / Heraus das Gute zu entwickeln, so / Muss unsre Arbeit sein, dies umzukehren / Und stets noch aus dem Guten Böses schöpfen […]»

 

Selbst eingefleischte Esoteriker haben Angst vor dem Bösen. Die Unterscheidung von Gute und Böse wird dort vor allem der Weissen und der Schwarzen Magie zugeordnet. Weisse Magie wird verwendet für das Heil aller Menschen, der Welt und des Kosmos, Schwarze Magie für das persönliche Vorwärtskommen und egoistische Ziele. Satan, Luzifer, der Teufel – ursprünglich ein gestürzter Engel, zieht Gottes Allmacht in Zweifel und wird mit seinen Anhängern des Himmels verwiesen: Zu Grunde liegt eigentlich eine Konstruktion der Manichäer, die davon ausgingen, dass die Welt zweigeteilt ist und wenn Gott allmächtig, allwissend und allumfassend ist, dann kann er nicht zu gleich das Böse, das Unglück und die Schlechtigkeiten auf Erden verantworten. Mit dem Beelzebub wird als ewiger Widersacher ein ungleicher, da weniger erfolgreicher Gegner eingeführt, der diese Aufgaben übernehmen kann.

 

In Priestleys Buch «Saturn over the water» bekommt der ahnungslose Maler Tim Bedford von seiner sterbenden Cousine den Auftrag nach ihrem in Südamerika verschwundenen Mann zu suchen. Nicht gerade begeistert von der Idee, macht er sich auf den Weg und kommt einer Organisation auf die Spur, die seiner Meinung nach von ehemaligen Nazis geführt wird – mit dem Ziel, die Welt unter ihre Herrschaft zu bringen. Auf einer aufregenden Jagd um die Welt stösst er schliesslich in einer alten heruntergekommenen Hütte auf einem australischen Berg auf einen alten Säufer, der sich als ein grosser weisser Meister entpuppt, ihn über die wahren Hintergründe aufklärt und mit dessen Hilfe die Organisation «Saturn over Water» empfindlich geschlagen werden kann. Es waren keine Nazis, sondern eine Vereinigung von schwarzen magischen Meistern, deren Antrieb ist, die Organisation der Weissen zu schwächen und die Menschen zu verwirren um sie auf ihre Seite zu bringen.

 

Die Frage der Macht drängt sich dabei immer wieder in den Raum. Und meist ist es ein Held, oder eine kleine Gruppe von Menschen, die sich gegen einen oder mehrere übermächtige Gegner wehren und das Schicksal der Welt retten – ungesehen von Otto Normalbürger, der somit weiter seinem Leben nachgehen kann. Da können wir uns beruhigt zurücklehnen und uns dankbar zeigen, dass es Helden gibt, die dauerhaft und immer wieder die Welt aus den Händen von Bösewichten befreien, damit wir unserem Leben nachgehen können - unbeschadet und nur indirekt betroffen von allem.

 

Vielleicht sind es gerade unsere Hoffnungen nach den Helden, die uns vergessen lassen, dass das Böse hinter jeder Ecke lauert. Wenn man die Filmproduktion der letzten Jahre ansieht kommt man jedenfalls schnell zur Überzeugung, dass das Böse allgegenwärtig ist und überall und in jeder denkbaren Form jederzeit auftauchen kann. Zum Beispiel als jene perfide Technologie in Matrix, die uns davon überzeugt, dass die Welt wie wir sie kennen Schein und Trug ist, weil die wahre Welt längst zerstört wurde und jetzt nurmehr eine düstere und wüste Ödnis sei. Der totalitäre Charakter dieser Vorspiegelung kommt dann richtig zum Ausdruck, als die Untergrundkämpfer (technische) Möglichkeiten finden, dieses System zu bekämpfen. Erst dann wird offensichtlich wie gross die (ideologischen) Unterschiede zwischen den getäuschten Menschen in der neuen, vorgetäuschten Welt und den Revolutionären geworden ist.

 

Das Böse im fast schon biblischen Sinne, und in einem auf jeden Fall mythologischen Ausmass führt der Herr der Ringe-Roman von Tolkien vor. Kontrastiert vom lichten, weissen Guten, das so gut wie nur irgend vorstellbar ist, wird auch das Böse so abgrundtief schaurig schwarz und verfügt über dermassen unvorstellbar fürchterliche Waffen, dass uns der Atem stockt. Auf der einen Seite steht die Gemeinschaft des Ringes, auf den ersten Blick ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Hobbitsen, einem Zwerg, einem Elf und zwei Abkömmlingen eines Königshauses. Gegen diese zwar schwachen, aber mit nie endender Überzeugung kämpfenden Wanderer, die unterwegs sind, das Böse ein für alle Mal zu besiegen, steht alles Böse der Welt zusammen, um sie an ihrem Plan zu hindern. Als Diener von Sauron, dem Fürsten der Finsternis, der nur das Verderben der Menschheit im Kopf hat, wird Saroman, selber eine Art allmächtiger Teufel, in der Verfilmung des Romans mit allen Mitteln der Kinokunst dargestellt. Er ist fähig vernichtende Heere aus dem Nichts zu schaffen, er wirft mit Donner und Blitz und Feuer um sich, er versucht alle auf seine Seite, das heisst in den Abgrund, zu ziehen. Gegen ihn, auf der Seite der Menschen, steht Gandalf, der auf seinem weissen Pferd Shadowfax im richtigen Moment immer wieder aus dem Licht auftaucht, nie wenn man ihn erwartet, aber immer wenn man ihn braucht.

 

So scheint diese Welt gegründet zu sein: Auf jeder Seite ein Führer, der eine im Dunkeln, der andere im Licht, auf jeder Seite die Helfer, die Armeen und die wilden Tiere der Hölle gegen die unbedarften Armeen der Menschen und der Elfen. Der Ausgang der Geschichte kennt keine plausible Begründung ausser die, dass der grössten Verzweiflung unsere grössten Hoffnungen folgen. Die Menschenerde wird nicht vernichtet, die Guten siegen, die Bösen bekommen ihre Strafe. Diese Klarheit des Ausgangs hat schon fast die moralische Einfachheit des Westerns, wo ja scheints auch die Bösen schwarz angezogen sind und die Guten weiss. Und wo der Bösewicht, der Tyrann, der Übeltäter am Schluss, at high noon, ebenfalls seine gerechte Strafe bekommt.

 

Angst, Unsicherheit und persönliche Probleme, die zu übermächtig erscheinen um im Alltag gelöst zu werden, sind oft Auslöser für Sinnsuchen im Bereich des Unerklärlichen. Oft erscheint es einfacher sich mit dem Übersinnlichen und Mystischen auseinanderzusetzen, als sich selbst einmal genauer zu betrachten. Angst ist der Motor, der die Macht zum Laufen bringt. Und Angst ist ein Faktor, mit dem man Geld machen kann: Sei es durch Gruppendruck oder -zwang, sei es der Ablasshandel der Kirche, seien es die Seminare und Einweihungen, die alle ohne entsprechende Entlöhnung nicht zu haben sind: «Erst wenn der Taler im Beutel klingt, die Seele in den Himmel springt.» Da hat sich bis heute nicht viel geändert.

 

Im Märchen «Von einem, der auszog das Fürchten zu lernen», begegnen wir einem jungen Mann – einem Nichtsnutz, der, da er sich nie fürchtet, es als seine Bestimmung ansieht, das Gruseln zu lernen. Er übersteht Nächte auf Galgenhügeln und in Spukschlössern, bekommt eine Königstochter zur Frau und ein halbes Königreich – allein das Gruseln lernt er erst durch seine Frau, die ihm im Schlaf einen Eimer kaltes Wasser mit Gründlingen ins Bett schüttet. Er erwacht und ruft: «Ach was gruselt mir, was gruselt mir, liebe Frau! Ja, nun weiss ich, was Gruseln ist.» Und kann endlich dankbar sein für das Erreichte. Wenn ich meine inneren Antriebe und Ängste verstehe, kann ich auch in Zufriedenheit mein eigenes Leben betrachten.

 

Der Meister des Grauens, des Schreckens, des Gruselns und der Angst ist selbstverständlich Edgar Alan Poe.

 

Nicht zufällig heisst eine seiner bekanntesten Sammlung von Geschichten «Faszination des Grauens». Fast schon standesgemäss spielen auch die Erzählungen Poes in Schlössern oder Irrenhäusern, oder auch auf verlassenen Landgütern. Selten sind die Peiniger genau geschildert, hingegen wird die Pein in den Worten des Betroffenen überaus plastisch anschaulich gemacht. In einer seiner bestens Erzählungen spielt die Forschungsreise eine Rolle, die mit dem Ungewissen auf wissenschaftliche Weise umzugehen sucht. Arthur Gordon Pym schildert in seinem Bericht die Ereignisse auf der Fahrt, enthüllt die Unregelmässigkeiten des Unternehmens und macht damit alles der Nachwelt bekannt. Es geht um Meuterei und Massaker und doch machen die Überlebenden am Schluss eine ungeahnte Entdeckung. Auf einem von Wilden bewohnten Eiland entdecken sie Klüfte und Höhlen und machen Funde, die ihnen ganz und gar Unerklärlich vorkommen. Nichts können sie verstehen, nicht die Natur und auch nicht die Schriftzeichen in einer der Höhlen. Das einzige was ein bisschen Licht ins Dunkel bringen kann, ist die Gefangennahme eines Wilden, der immer wieder befragt wird und der die Forscher schliesslich mit seinen Wörtern glauben macht, der König des Eilandes heisse Tsalemon, sein eigener Name sei Nu-Nu und die Insel heisse Tsalal. Mit Eintrag am 1. März, ganz in der Tradition der grossen Reisebereichte der berühmten Seefahrer heisst es: «Manch ungewöhnliches Fänomen deutete nun darauf hin, dass wir im Begriff stünden, in eine Region der Novitäten und Wunder einzudringen.» Viele dieser Novitäten und Wunder werden gedeutet, erklärt wird nichts. Auch in der Nachbemerkung zum Bericht, nach dem Tode Pyms verfasst, müssen alle Erkenntnisse als Spekulationen zugegeben werden.

 

Auch bei Poe ist es, wie in den Utopien der englischen Autoren, natürlich kein Zufall, dass das Unerklärliche und mitunter auch das Schreckliche, vor allem den Seefahrern begegnet und so oft auf Inseln beheimatet ist. Die Meere der vergangenen Jahrhunderte waren unerforschte Gebiete, viele Länder und Inseln harrten noch der Entdeckung.

 

Viele von Poes Kontrahenden schauen den Tatsachen, den Schrecken und dem Grauen, gerade ins Auge, ein in solchen Situationen fast schon unmenschlicher Funke von Wissbegier und nie endender Hoffnung zeichnet sie vor allem andern aus. Und doch kommt es vor, dass es keine andere Lösung mehr gibt, als die Augen zu schliessen: «Wie [der Malstrom] da vor mir lag, schloss ich vor Grauen unwillkürlich die Augen.»

 

Haruki Murakami entführt den Leser in die Welt eines unsteten japanischen Schriftstellers, der durch seltsame Umstände eines Tages von einem Schaf beherrscht wird. Das Schaf, zunächst als Bild in die Welt gesandt, beginnt im Inneren der Hauptperson zu leben und lässt sich nicht mehr abschütteln. Schafe – in Japan lange Zeit unbekannte Tiere – waren nur durch den chinesischen Kalender bekannt, allerdings mehr als Fabelwesen, wie Drachen, Einhörner oder der Phönix. Laut Murakami sind sie auch heute noch dem normalen Japaner relativ unbekannt oder zumindest weniger vertraut. Dem Unbekannten zu misstrauen und ihm übernatürliche oder mächtige Fähigkeiten zuzuschreiben ist eine alte Methode sich vor dem Fremden zu schützen, oder ein Grund, es bekämpfen zu dürfen. Es ist der Nährboden für Aberglauben.

 

«Das gegen Ende des 15. Jahrhundert entstandene Wort Aberglaube (Afterglaube) hat schon sprachlich betrachtet den Charakter eines nachdrücklichen Werturteils. Mit der Vorsilbe «aber» (wie z.B. in Aberwitz) wird die Richtung auf das Verkehrte, Minderwertige anzeigt. In das Gebiet des Aberglaubens gehören: Gespensterglaube, Kartenschlagen, Spiritismus, Okkultismus, Astrologie, Chiromantie, der Glaube an ursächliche Zusammenhänge von Dingen, Ereignissen, Handlungen, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben (z.B. Unglück dadurch, dass eine Katze über den Weg läuft), der Glaube an vermeintlich übernatürliche, den Gesetzen des natürlichen Geschehens nicht unterworfene Kräfte und Vorgänge, der Glaube an die magischen Kräfte gewisser Zeremonien, an Zauberei, Beschwörungen, Besprechungen, Hellsehen, Wahrsagen, Wunder, Amulette usw. Die Anfälligkeit für den Aberglauben ist – wenn auch nach Anlage, Verhalten, Gelegenheit und Erziehung verschieden – eine Tatsache, die sowohl die Psychologie als auch die Prüfung der Glaubensüberlieferungen aller Völker und Zeiten erweist.»

 

Rupert Sheldrake, erstaunt über die Tatsache, dass zum Beispiel das Rad auf der Erde an verschiedenen Stellen gleichzeitig erfunden wurde – ohne die Möglichkeiten der Kommunikation (ausser man zieht Erich von Dänikens Ideen in Betracht, dass Ausserirdische uns die Anregungen zu solchen Ideen geliefert haben). Sheldrake erarbeitete die Vorstellung, dass es ein morphologisches Feld des Wissens gibt, ein Feld in dem die Erfahrungen gesammelt werden und zu dem jedes Lebewesen seinen Teil beitragen kann. Dieses Feld, das auch von jedem Lebewesen angezapft werden kann, trägt dazu bei, dass sich Gewohnheiten und Ideen verbreiten können – vorstellbar als eine Art kollektiven Bewusstseins, oder kollektiven Unbewussten, existent ausserhalb der Materie. Auch wenn Sheldrake für seine Theorien von seinen Physikerkollegen nicht gerade geschätzt wird und heutzutage vor Kanninchen- und Taubenzüchtervereinen Vorträge hält, so ist er nicht der einzige Physiker, der an der wissenschaftlichen Sicht, des rein rationalen, nur durch die Materie existenten Universums zweifelt.

 

Zum Feld des Unerklärlichen gehört auch das Unmögliche, denn man könnte sagen, dass auch das Unmögliche durchaus unerklärlich ist, wenn es nämlich wider Erwarten und oft wohl auch wider die Gesetze der Natur, trotzdem geschieht. Vielleicht ist das Unmögliche banal, denn was heisst das schon: Unmöglich? Und wieso ist die Erklärbarkeit von Phänomenen immer wieder ein so wichtiges Kriterium?

 

Zum Beispiel ist es ganz und gar unmöglich, dass ein ganzer Ritter in die Schlacht zieht und als halber Ritter – das ist mit einem Auge, einem Ohr, einer halben Nase und einem Halben Mund, einem Arm und einem Bein – wieder nach Hause kommt. Italo Calvino hat das alles sehr schön beschrieben: «Kurzum: es war nur die Hälfte, die rechte Seite gerettet und übrigens völlig erhalten, ohne die kleinste Schramme, abgesehen von jenem riesigen Riss, der sie von der linken Rumpfhälfte getrennt hatte.» Die Sache bekommt neben der rein anatomischen eine psychologische Dimension als die Angehörigen langsam immer sicherer werden, dass nämlich die aus dem Krieg nach Hause zurückgekehrte Hälfte die böse ist und die gute Hälfte des Visconte in der Schlacht liegen geblieben ist.

 

Um noch ein bisschen bei Anomalien der beschriebenen Art zu verweilen: Dirk Gently, der holistische Privatdetektiv in Douglas Adams Kriminalroman «Lachs im Zweifel» wird von einer ebenso mysteriösen wie schönen Dame namens Melinda beauftragt, deren verschwundene Katze zu suchen. Das pikante an dem Fall: Es ist nur die hintere Hälfte des Siamkaters Gusty Winds verschwunden, der vordere Teil schnurrt Gently unbeirrt behaglich aus dem Katzenkorb heraus an und scheint sein verschwundenes Hinterteil nicht zu vermissen. Unerklärlich sind übrigens auch die Ermittlungsmethoden Gentlys: Alles und Jedes ist für seine Untersuchungen von Belang. Er studiert mit dem gleichen Interesse Horoskope und Wetterberichte, besucht Baseballspiele, folgt Wildfremden durch die Stadt oder stiehlt ihnen Bücher. Seinen Fall um den elektrischen Mönch löst er, indem er – während es ihm zum wiederholten male geschildert wird – erkennt, dass es unmöglich ist, einen Salzstreuer in einen Wasserkrug zu zaubern. Er findet heraus, dass eine einfache Unregelmässigkeit im Raum-Zeit-Kontinuum den Trick ermöglich und löst den Fall.

 

Und sicher wissen wir, dass das was uns unmöglich scheint, für andere ganz und gar nicht unmöglich ist. Und was früheren Generationen unmöglich war, ist heute schon fast eine Selbstverständlichkeit. Zum Beispiel die Weltraumfaht. Menippus erzählt seinem Freund in einem schönen Dialog in einer Parodie von Lukian von Samasota: «Du meinst, ich spreche von einem Traume, mein Lieber? Aber da irrst du dich sehr, ich komme geradewegs vom Jupiter her.» Oder Monsieur Cyrano de Bergerac, der wenigstens die Völker des Mondes erforscht hatte, oder aber jene drei kühnen Astronauten die in ihrer als Projektil bezeichneten Rakete den Mond verfehlen und wohl bis heute von seiner Anziehungskraft zwar in Schach gehalten, seine Oberfläche aber niemals betreten werden. Es war damals ganz und gar unmöglich die Erde zu verlassen und, seien wir ehrlich, wir sind noch nicht einmal sicher, ob uns die Amerikaner in einem riesigen Spektakel ihre Landung auf dem Mond damals nur vorgetäuscht haben. Eine Theorie die auch in Spielfilmen seither weitergesponnen worden ist.

 

Gibt es das absolut Unmögliche? Oder wird es vielmehr eines Tages möglich sein? Gibt es das Unerklärliche? Oder können wir dieses eines Tages vollständig erklären?

 

Ernst von Glaserfeld und Heinz von Förster legen eine andere Philosophie der Vorstellung vom Menschen und seinem Umgang mit der Welt dar: Der Einzelne erfährt die Welt als Gegenstand im wörtlichen Sinn: Wie dem blinden Wanderer im Wald, der den Bäumen ausweichen muss, erfährt der Einzelne die Welt als Vermeidung. Was ihm an Materiellem begegnet steht ihm entgegen und er muss ausweichen. Ein Beobachter, der eine Vielzahl von Erlebnisformen koordinieren kann, kann vielleicht unterscheiden und einteilen. Aber die Sinnesorgane melden in erster Linie ein Hindernis, das Anstossen: Wahrgenommen werden die Unterschiede, nicht die Dinge. Somit wird das Weltbild aufgebaut aus Signalen, deren Ursprung die Berührung mit Hindernissen war. Für den Konstruktivisten ist Wissen nicht aufgebaut aus ontischer Wirklichkeit, die ausserhalb der Erfahrung existiert und erfahren werden muss. Er sieht darin vielmehr einen möglichen Weg zwischen den Gegenständen. Unterscheidung, Gleichheit und Invarianten ermöglichen durch Reflexion und Vergleich auch Unterscheidungen von objektivem und subjektivem Erleben. Objektive Wirklichkeit entsteht in diesem Fall dadurch, dass das eigene Erleben durch andere bestätigt wird. Interessant auch, dass Glaserfeld und vor allem Heinz von Förster durch ihre Beschäftigung mit der Erschaffung von künstlichen Menschen zu solchen Erkenntnissen kommen: Bevor ich den Menschen neu erschaffen möchte, muss ich ihn verstehen lernen.

 

Wenn ich eine Landkarte des Unerklärlichen zeichnen möchte, wenn ich die Vielfalt von Phänomenen erfassen möchte, die es gibt, wenn ich mir ein Bild von der Welt schaffen möchte, mache ich mich auf die Suche. Ich beginne zu sammeln, mir Sachen anzuschauen – ich gebe einem Impuls nach um die Positionen der Standorte zu verstehen. Bewertungen werden ausgelassen (dafür gibt es Reiseberichte) – so wie ich auch auf einer Landkarte die Schönheit einer Landschaft nicht erfahren kann, beschränke ich mich auf die Gegebenheiten. Ich beginne Wege aufzuzeichnen, Strassen und Plätze zu erfassen, Kulminationspunkte und Ballungsgebiete, Wanderpfade und einsame Plätze, Berge, Täler, Seen und Meere, Wüsten und tropische Regenwälder zu markieren und Angaben zum Klima zu machen. Ausserdem dokumentiert der Geograph die Grenzen. Er legt sie nicht fest – er zeigt sie nur.

 

«Auf Seite vierunddreissig die Karte Mittel- und Ostasien. Sie reicht vom Pamir bis Yokohama, vom Baikalsee bis Rangun. Grosse braune Gebirgszüge und Hochflächen, rechts der breite blaue Streifen des pazifischen Ozeans, durchbrochen von der Inselkette Japans, von Korea und Tai-wan. Ich lege meine linke Hand auf die Mitte der Karte, sie bedeckt die Wüste Gobi und das Land im Hoangho-Knie, der Mittelfinger zeigt auf die Mandschurei, der Daumen reicht bis Kaifeng-fu. Ich neige mein Ohr herab und höre, wie unter der Höhlung meiner Handfläche das lehmige Wasser des Hoangho gurgelt und steigt. Es tritt in Schansi und Honan über die Ufer und reisst die Erde aus den Feldern Ninghsia. Auf der Flut schwimmen Kohlstrünke zwischen Dächern, Hausrat und ertrunkenen Schafen. Die Strömung braust und verzweigt sich in den Adern meiner Hand.»

 

Angenommen, ich möchte verreisen; ich wähle mir ein Ziel aus. Dann suche ich mir die entsprechenden Karten, breite sie vor mir auf dem Tisch aus und streiche die Falten glatt. Ziel und Ausgangspunkt suche ich zuerst heraus. Ich überschaue die Distanz; ich sehe die Strecke, die ich zurücklegen möchte und mit meinem Zeigefinger überwinde ich alle Hindernisse, die dazwischen liegen. Die Aufgabe des Geographen ist es, die Welt graphisch zu erfassen: Er reduziert die Dimensionen und vereinfacht. Dessen sollten wir uns allerdings bewusst sein, wenn wir einer Landkarte folgen: Sie ist ein reduziertes Abbild einer Landschaft und nicht die Landschaft selbst.

 

 

 

a hitchhiker's guide to the galaxy

 

dogma

 

dracula

 

monty python's the life of brian

 

a hitchhiker's guide to the galaxy

 

 

 

Der Vortrag «Eine Geografie des Unerklärlichen» verwendet Zitate aus folgenden Büchern, Filmen und Kompositionen:

Gilbert Adair, Träumer
Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis, Band 1
Douglas Adams, Lachs im Zweifel
Anonym, Der Eingeweihte I und II
William Beckford, Vathek
Michel Butor, [Über Jules Verne]
Italo Calvino, Cosmocomics
Italo Calvino, Der geteilte Visconte
Wu Chen-en, Monkey
Günther Eich, Eine Karte im Atlas
Albert Einstein, Mein Weltbild
Lorraine Daston/Katharine Park,
Wunder und die Ordnung der Natur
Harry Fritsch, Eine Formel verändert die Welt
Johann Wolfang Goethe, Faust I
Johann Wolfang Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre
Jakob und Wilhelm Grimm, Märchen
James Hamilton-Paterson, Ungläubiges Staunen
Daniel Kehlmann, Fingerreisen
Krishnamurti, Vollkommene Freiheit
John Milton, Das verlorene Paradies
Haruki Murakami, Wilde Schafsjagd
Friedrich Nietzsche, Werke Band 1 und 2
Cees Noteboom, Rituale
Will-Erich Peukert, Geheimbünde
Edgar Allan Poe, Sturz in den Malstrom
Edgar Allan Poe, Umständlicher Bericht
des Arthur Gordon Pym von Nantucket
J.B. Priestley, Saturn über dem Wasser
Jane Roberts, Individuum und Massenschicksal
William Shakespeare, Romeo und Julia
Rupert Sheldrake, Das schöpferische Universum
Dieter Steinwede/Dietmar Först,
Die Schöpfungsmythen der Menschheit
H.J. Störig, Kleine Weltgeschichte der Philosophie
Antal Szerb, Die Pendragon Legende
J.R.R. Tolkien, Der Herr der Ringe
Peter Ustinov, Der alte Mann und Mr. Smith
Francisco J. Varelli und Humberto R. Maturana,
Der Baum der Erkenntnis
Heinz von Förster, Ernst von Glaserfeld u.a.,
Einführung in den radikalen Konstruktivismus
Heinz von Förster, Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners
Lukian von Samasota, Parodien und Burlesken
Die Vorsokratiker, Band 1, Zenon von Elea
Horace Walpole, Die Burg von Otranto
Georges Waser, Füssli und der Reiz des grauenvoll Schönen
Gary Zukhav, Der Tanz der Wu-Li Meister

 

Les Aventures de Tintin, L'étoile mystérieuse (Eddie Lateste, 1969)
Dogma (Kevin Smith 1999)
Dracula (Tod Browning, 1931)
Frankenstein (Kenneth Branagh, 1994)
A Hitchhiker's Guide to the Galaxy (Garth Jennings, 2005)
The Incredibles (Brad Bird, 2004)
Lara Croft: Tomb Raider (Simon West, 2001)
Matrix (Andy and Larry Wachowski, 1999)
Monty Pythons The Life of Brian (Monty Python, 1979)
Romeo and Juliet (Baz Luhrman, 1996)
Time Bandits (Terry Gilliam, 1981)

 

Tori Amos, Happy Phantom
Cake, Comfort Eagle
Nick Cave, I Put A Spell On You
Nick Cave/Kylie Minogue, Where The Wild Roses Grow
Leonard Cohen, Waiting For A Miracle
Coldplay, The Scientist
The Dandy Warhols, Scientist
Connie Francis, Die Liebe ist ein seltsames Spiel
Adam Freeland, We Want Your Soul
Nina Hagen, Ich weiss, es wird ein Wunder geschehn
Lamb, Gabriel
Massive Attack, Karmacoma
George Michael, Faith
Morcheeba, Living Hell
Van Morrison, In The Garden
Matt Munro, Born Free
Randy Newman, God's Song
Mike Oldfield, X-Files Theme
Nancy Sinatra, These Boots Are Made For Walking
Patti Smith, Ask The Angels
Richard Strauss, Also sprach Zarathustra
(Opening Theme from: 2001, A Space Odyssey)