pool position #05.

Ursula Badrutt Schoch. Malerei ist unsere Begeisterung.
«6 x malen» - eine Ausstellung im Projektraum «exex».

Malen, malen, malen, malen, malen, malen im «exex» - fünf Künstlerinnen und ein Künstler denken und handeln mit Farbe.

Der Projektraum «exex» legt den Hauptakzent seiner Präsentationen und Veranstaltungen auf das Experimentelle und Werkstattmässige. Das hindert die Betreiberinnen und Betreiber aber nicht, auch dem klassischen Medium Malerei seinen Platz einzuräumen. Und damit zu zeigen, dass Malerei genau so hip und experimentell ist wie «File Sharing» oder «Come back».

 

Unterschiedlich

«6 x malen» zeigt Malerei als grosse Vielfalt - an Wänden und auf dem Boden, vom Tafelbild über objekthafte Fotobilder, installative Wandmalereien bis zu bemalten Gegenständen als Raumintervention. Die Initiantinnen Marianne Rinderknecht, Teresa Peverelli und Priska Oeler haben den Appenzeller Ueli Bänziger, Martina Gmür aus Basel und die in Basel lebende Bündnerin Leta Peer eingeladen, sich der Frage nach den Möglichkeiten von Malerei und im Dialog mit ihrem eigenen Schaffen zu stellen.

 

Doppelbödig

Da ist die zeichenhafte Wandmalerei von Marianne Rinderknecht. Die Farbe klebt flächig auf dem weissen Grund, Tiefendimensionen erwachsen allein aus der atmosphärischen Wirkung. Über einer himmelblauen Wolke, die auf den Boden aufstösst, sind pinkfarbene Spraytupfer wie Schneeflocken im Warnkleid gestreut. Ganz subtil verkehrt sich die lockere Landschaft in eine Welt verbindlicher Schwere. Ob Marianne Rinderknecht einen glitzernden Altar aufbaut oder wie hier sehr reduziert malend in den Raum eingreift, es geht bei aller Lust und Leichtigkeit um ein Verkehren von Süsse in Bitterkeit, von oberflächlicher Zufriedenheit in abgründiges Grauen. Ähnlich zurückhaltend und doppelbödig harmlos kommt der Riss von Martina Gmür (geb. 1979) um die Ecke. Schwarz kerbt er sich ein und ist doch nur ein Klebebild mit einer Pinselspur, das entfernt und anderswo platziert werden kann. Über den Bezug zu barocker Illusionsmalerei hinaus wird hier ein Bild von Zerrüttung angetönt, welche das eigene Tun ebenso hinterfragt wie die expliziten Themen von Malerei und Ausstellung. Leta Peer zeigt eine Reihe von kleinformatigen Ölbildern mit einem grossen und trivialen Thema: dem Berg. Ein Mythos mit Goldkante wird ins Visier des umgekehrten Feldstechers genommen. Als Sehnsucht nach Heimat verharren die nach eigenen Fotos gemalten Unterengadiner Bergspitzen in unerreichbarer Ferne. Sie drohen verloren zu gehen und verstärken gerade dadurch das Sehnen. Wir möchten nah ran an diese Malerei, die gleichzeitig mit dem Näherkommen in einzelne Pinselstriche zerfällt. Die Berggipfel von Leta Peer bleiben unerreichbar. Und gerade deshalb sind sie so kostbar.

 

Langsam

Priska Oeler interessiert das Zusammenspiel von «Color» und «Paint». Ob Fisch oder Pinsel-Maschenwerk, ihre aktuellen Malereien sind real, wie einst die Kugeln aus bunten Haushaltgummi, denn sie sind Farbe in Schichten, die das Auge manchmal Gegenständliches erkennen lassen, manchmal im Assoziativen schwingen. Erdigem Gewühl entwachsen differenzierte Farbpflanzen, tote Fische werden beinah lebendig und liebkosen das Sehen mit ihrer Pracht. Auch Teresa Peverelli malt die Unterscheidung zwischen Gegenstand und Ungegenstand fort. «Mich interessiert die Gegenwärtigkeit», sagt sie und inszeniert alltägliche Gegenstände zum rahmensprengenden Stillleben. Einzelne Teile haben sich lockend ins Schaufenster ergossen, andere sind Teil der Auslegeordnung am Boden und binden mit Form, Farbe und Struktur ihr Gegenüber ein. Sie antworten mit Farbtonspielen auf Ueli Bänzigers Malereien, die in sich selbst verhaftet eine Position ungebrochener Abstraktion vertreten. «Malen ist unsere Begeisterung», sagen die Malerinnen der Projektgruppe. «Und Malen ist Langsamkeit. Mit der Malereiausstellung möchten wir eine Bremse sein im hektischen Kunstbetrieb. Denn Malerei ist Sinnlichkeit und Sinnlichkeit braucht Zeit.»

 

ST.GALLER TAGBLATT vom Montag, 3. November 2003.

 

zurück