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exex_2004/salon nr. 1/presse

Experiment Nachwuchs
Das Archiv der Zürcher Kunstschule F+F zu Gast in St.Gallen

Der Projektraum exex startet sein zweites Jahr mit den neu eingeführten Schienen «Salon» und «Akademie». Den Anfang macht eine Archivpräsentation der F+F Schule für Kunst und Mediendesign Zürich: Dok_*face.

 

Ursula Badrutt Schoch

 

«Wir wollen Labor sein, Experimentierfeld, Werkstatt», haben die Verantwortlichen vom Projektraum exex von Anfang an betont. Mit dem jüngsten Projekt präsentiert sich der Ausstellungs- und Arbeitsraum der Visarteost fast programmatisch. Im Schaufenster liegen Publikationen und hängen T-Shirts. Im Raum stehen Zügelkisten herum, gefüllt mit Diakästen, Computerzubehör, Ordnern. Andere sind gestapelt und werden als Projektorsockel genutzt. Werktische, Gestelle, Ablageflächen. Es sieht alles ziemlich nach Arbeiten aus. Aber auch eine Lounge gehört dazu - für das Sitzen und Reden in den Runde.

 

Archiv und Arbeitsort

«Das ist keine Ausstellung», betont denn auch Sandi Paucic. «Dok_*face ist ein von den Kunststudenten selbst verwaltetes Büro, das an der Schule für Kunst und Mediendesign beheimatet ist. Es ist Archiv und Arbeitsort. Jetzt wird es nach aussen hin geöffnet.» Sandi Paucic ist Rektor der F + F, jener Kunstschule in Zürich, die vor über dreissig Jahren in Opposition zur Schule für Gestaltung und deren vorübergehenden Verzicht auf die freie Kunstklasse gegründet wurde. Im Unterschied zur Hochschule für Kunst und Gestaltung sind die Zulassungsbedingungen offener und der Eintritt auch ohne Hochschulzulassung möglich. Zu den prominenten Ehemalige, die archivarisch am Oberen Graben aufzuspüren sind, gehören Klaudia Schifferle und Stephan Eicher, von dem eine Single gehört werden kann, die noch vor «Grauzone» mit den Noise Boys und einem gewöhnlichen Kassettengerät 1980 aufgenommen wurde. Auch Marcel Biefer und Beat Zgraggen gehören zu den Ehemaligen oder Peter Trachsel von der Hasena. Kistenweise können alte und neue Diplomarbeiten durchwühlt werden. Ostschweizer Namen schwimmen bei einem ersten Durchgang keine obenauf. Doch die Verführung zum Wühlen funktioniert jedenfalls. Abdriften eingeschlossen, oder wie anders kann man sich in «Tatort WC» und in «Tragbaren Zwischenräumen» verlieren.

 

Selbstpräsentation

Dok_*face wurde vor rund drei Jahren ins Leben gerufen. Einerseits ist die Dokumentationsstelle mit der Idee entstanden, dass zur Kunstausbildung auch die Selbstpräsentation gehört, und dass das Dokumentieren der eigenen und fremden Arbeit gelernt werden muss. Andererseits gilt es auch, aus dem Archivieren und Dokumentieren heraus ein jeweils aktuelles, heute gültiges Gesicht zu entwickeln und zu zeigen. Dok_*face versteht sich also auch als Identitätssuche einer Institution, die sich ständig wandelt. «Uns geht es darum, das Interesse am Archiv als Arbeitsinstrument zu fördern», betonen die beiden verantwortlichen Studenten, Vera Fischer und Matthias Rüegg, die Dok_*face fast von Beginn an betreuen. Dok_*face kennen lernen bedingt Wiederkehren. An den donnerstäglichen «Akademie-Abenden» werden unter dem Titel «Archivbewegungen» die Ablagerungen auf spezifische Themen wie Performance durchforstet. Dok_*face im exex wird sich also wandeln. Und seine Lebendigkeit unter Beweis stellen. Das Archivarische wird zunehmend verschwinden und aktuellen Arbeitspräsentationen der heutigen Studierenden Platz machen. Denn der Nachwuchs bildet die Ablagerungen der Zukunft.

 

Stichwort: Salon und Akademie

Während im exex-Salon die eigentlichen Ausstellungen angesiedelt sind, versteht sich exex-Akademie als das Gefäss für Präsentationen, Vorträge, Workshops, Ausflüge und Podien. Morgen findet um 20 Uhr in der Akademie die «Archivbewegung I» mit Erik Dettwiler statt. Dettwiler ist - wie auch Co-Kurator und Abteilungsleiter Andreas Vogel - Dozent an der F+F und wird Videoarbeiten aus dem Archiv präsentieren. «Archiv- bewegung II» am 19. Februar, 20 Uhr, konzentriert sich auf den Sektor Performances, dem in der F+F stets besondere Aufmerksamkeit geboten wurde und wird. Am 26. Februar, 20 Uhr, findet mit «Archivbewegung III» eine Arbeitspräsentation mit Studierenden der F+F statt.

 

Aus dem ST.GALLER TAGBLATT vom Mittwoch, 11. Februar 2004