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exex_2004/salon nr. 3/presse

Die Sterne stehen auf zeichnen
«Salon Nr. 3» im Projektraum exex - eine Zeichnungs-Ausstellung

Der dritte Salon im Projektraum exex widmet sich der Zeichnung. Anita Zimmermann hat eine Ausstellung zusammengetragen, die Künstlerinnen und Künstler der verschiedensten Herkunft vorstellt.

 

Bettina Wollinsky

 

Empfiehlt sich St. Gallen in Zukunft nicht nur als Buchstadt, sondern auch als Zeichnungsstadt? Den Auftakt machte im Frühling 2001 der kalifornische Undergroundkünstler Raymond Pettibon mit einer grossartigen Wandzeichnung in der Sammlung Hauser und Wirth. Zurzeit ist im Kunstmuseum mit «Global World Private Universe» eine fulminante Zeichnungsausstellung zu sehen. Nun widmet sich auch das exex, der Veranstaltungsort der visarte.ost mit sechs Kunstschaffendem dem Zeichnen.

Warum eine Zeichnungsausstellung? Anita Zimmermann, die Künstlerin und Organisatorin von «Salon zeichnen» antwortet darauf, sie zeichne selbst am liebsten. Es sei Ihr Medium und deshalb habe sie nicht nur andere Künstlerinnen und Künstler dazu eingeladen, sondern sich auch gleich selbst mit eigenen Arbeiten reingesetzt. Entstanden ist eine Gruppenausstellung mit fünf unterschiedlichen Positionen.

 

Optisch musikalisch

Das Künstlerpaar Monica German und Daniel Lorenzi aus Zürich lassen beim Eintreten in den Raum vor einem Zeichnungsblock aus verschiedenen Arbeiten innehalten: Thematisch bewegen sich die auf Zettel getuschten, auf wiederverwendete Plakate gedruckten, auf Wellkarton gezeichneten Figuren und Objekte wie beispielsweise Tonträger, Lautsprecher oder Kopfhörer im popkulturellen Bereich. Auch als DJs in der Clubszene aktiv, liegt die Vorliebe für derlei Objekte nahe. Musikalisch gehts im hinteren Teil des Ausstellungsraums weiter. «Feed-Back Bilder» nennt Andy Guhl, wohl den meisten bekannt im Zusammenhang mit dem im letzten Jahr aufgelösten Künstlerduo Möslang/Guhl, seine farbigen Stills. Es sind optische Rückkoppelungen, die durch Experimentieren mit akustischen und visuellen Impulsen entstehen. Die visuelle Umsetzung von Klängen mittels Bildröhren und Videokameras lässt sich gut mit der Arbeit von Charlotte Hug, Bratschistin, Performerin und Zeichnerin, vergleichen. Sie entwickelt ihre Zeichnungen während dem Abhören ihrer Improvisationen. Mit vier Stiften bringt sie beidhändig Grafit und Tusche auf transparentes Papier, das die Grösse ihrer beidseitig wie Flügel ausgestreckten Armlängen besitzt. «Sonicons», wie sie diese Zeichnungen nennt, geben wiederum Impulse, die sie in Musik umsetzt. Grafit und Tusche benützt auch die Luzernerin Daniella Tuzzi für ihre Arbeiten. «Ursa ruht sich aus» nennt sie ihre Zeichnungsinstallation, die sie an Ort entwickelt und realisiert hat. Der Raum ist Ausgangspunkt für die Arbeit und wird mit einbezogen. Wand und Papier lösen sich zum Teil als Bildträger übergangslos ab. Kreise und Linien bezeichnen Wege, initiieren Geschichten, halten inne bei einer Frau, die sich aus dem Fenster lehnt.

 

Zeichnung als Auslöser

«Sie könnte Ursa heissen», meint die Künstlerin verschmitzt; Ursa Mayor (grosser Bär) ist aber auch ein Sternbild, das sie unten direkt auf die Wand gezeichnet hat. Figuren, Zeichen und Linien, nicht als Begrenzung, sondern als Öffnung; als Beginn oder Ausschnitt von Erzählungen. Die Vorliebe für Bleistift auf Papier zeigt uns Anita Zimmermann, gleich viermal hat sie dasselbe Motiv, eine Gruppe Inuits, gefunden in einem Buch, abgezeichnet. Der Inhalt ist ihr unwichtig, wie sie sagt. Sie will herausfinden, was mit der Zeichnung passiert und was mit ihr bei diesem Vorgang des wiederholten Abzeichnens geschieht. So umgibt sie sich gerne mit Gegenständen, die sie mag und die sie wiederholt abzeichnet, neu kombiniert, wieder abzeichnet und sich so vielleicht immer wieder deren Präsenz versichern will. «Rückkoppelungen» oder «Rückschlüsse ziehen» könnte der gemeinsame Klang dieser Ausstellung sein. Die Zeichnung als Auslöser und als Fixierung und wieder als Auslöser von sehr privaten Geschichten.

 

Aus dem ST.GALLER TAGBLATT vom Dienstag, 11. Mai 2004