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exex_2008

gilgi guggenheim: ballwurfmaschine im zimmer
show down #12, 19. juni 2008

gilgi guggenheim ist – wie man so schön sagt – von haus aus malerin. lawinen und wellen, grosse naturkräfte also, malte sie, bevor sie sich in ihrem jüngsten werk, «für perla», das kürzlich in st. katharinen zu sehen war, mit vier porträts (und einer reihe von gesprächen im zur ausstellung erscheinenden buch) in ihre familiengeschichte vertiefte. für den «show down» hat die künstlerin nun allerdings eine raumbezogene installation geschaffen, die knallt und kracht und den besucherinnen und besuchern der ausstellung, wenn sie sich nicht vorsichtig genug bewegen, durchaus gefährlich werden kann.

im hintern teil des ausstellungsraumes hat gilgi guggenheim die tennis-ballmaschine «point» aufgestellt, die mit bewundernswerter konstanz – wenigstens was platzierung und aufschlagsgeschwindigkeit angeht – gegen eine weisse wand bälle aufschlägt. was draussen im freien einigermassen harmlos aussieht, gerät im innenraum zur angriffslustigen ballschlacht, was draussen ein spiel ist, wird drinnen bitterer ernst.

dabei ist die maschine paradoxerweise nicht nur aggressiv, sie nötigt uns auch respekt ab, weil sie so unbeeinflussbar und scheinbar ohne müde zu werden einen ball nach dem andern hervorzieht und immer und immer wieder aufschlägt. fast gewinnt die maschine, wenn man ihr nur lange genug zuschaut, menschliche züge: dieser kleine, untersetzte kerl – vielleicht ist er ein bisschen wütend – in eigentlich aussichtsloser position macht er sich da verbissen zu schaffen, verliert weder den mut noch die kraft, sondern schlägt und schlägt … es ist nicht abzusehen, wann er aufhören wird.

überhaupt schafft die maschine, je länger man darüber nachdenkt, lauter widersprüchliche situationen. für den tennisplatz, ein grosses feld also, konzipiert, wütet sie jetzt in einem geschlossenen raum und knallt mit grosser wucht und geschwindkeit ball um ball – 10 stück in der minute – auf eine bereits von früheren ausstellungen arg in mitleidenschaft gezogene wand des projektraumes. fast genau so schnell kommen die bälle zurück. wenn sie dann aber von der dahinter liegenden wand abprallen, springen sie noch ein paar mal harmlos auf, rollen aus und bleiben liegen. aus den weichen spielbällen werden zuerst harte geschosse und dann wieder spielbälle. zuerst weicht man ihnen erschreckt aus, – ich möchte mir nicht ausdenken, wie es wäre, so einen ball an den kopf zu kriegen – dann möchte man sie zum selber spielen am liebsten einsammeln …

es scheint, als wolle die ballmaschine gegen die wand anrennen und sie mit immer mehr harten schlägen zum einsturz bringen. wie ein mechanischer sisyphos steht sie da und hört nicht auf zu werfen und zu treffen … auch wenn wir uns fast sicher sind, dass sie keine chance haben und die wand sich letztlich als stärker erweisen wird. dabei erinnert die maschine natürlich, und gerade im aktuellen zusammenhang, auch an ein abbruchgerät, das hier zum einreissen des gebäudes eingesetzt wird und natürlich so lange weiter werfen wird, bis die wand schliesslich doch einbricht.

aber eben: auch wenn wir uns in acht nehmen müssen nicht von einem ball getroffen zu werden, der wand scheinen die geschosse kaum etwas anzuhaben, obwohl sie den bereits vorhandenen riss doch langsam vergrössern. die bälle sind zwar weich, aber könnte es nicht sein, dass sie letztendlich – ganz im sinne jenes sprichwortes, das besagt, dass steter tropfen den stein höhle – das haus zum einsturz bringen?

gilgi guggenheim kommentiert mit ihrer intervention den stand des projektes «exex» auf sinnfällige weise. wenn üblicherweise die abrissbirnen, die mit dem fachausdruck schlicht «stahlmasse» heissen, von aussen in den fassaden einschlagen, dann sind es hier weiche tennisbälle – aus naturgummi und einer umhüllenden filz-/nylonschicht gefertigt – die von innen versuchen, die wände kaputt zu machen. wenn üblicherweise ein hausabbruch in ein, zwei tagen über die bühne geht, dann wird es mit der «methode guggenheim» jahrtausende dauern. und so kommt man schnell zum schluss, dass es eben mit der kunst ähnlich sein könnte … brachial ist die wirkung der stahlmasse, mit der man später im jahr hier auffahren wird, subtil und längerfristig wirksam, wenn auch latent gefährlich, wirkt die kunst …

matthias kuhn