home | zurück

exex_2008

rachel lumsden: «ex und hopp», «flight of stairs»
show down #11, 12. juni 2008

rachel lumsden ist malerin. sie malt grosse bilder. «homeland security», «arc-light» und «ancestral inheritance» sind werkgruppen, in denen sich die künstlerin mit ihrem britischen erbe auseinandersetzt. zu sehen sind auf den gemälden lampenschirme, möbelstücke, teekannenwärmer … alles dinge, die mit jener bürgerlichen, englischen gesellschaft in engem zusammenhang stehen, welche lumsden mit ihrer kindheit im norden englands in verbindung bringt. in der präzision ihrer malerischen inszenierung, äusserst subjektiv dargestellt, gelingt es lumsden die gegenstände vom grossen druck zu befreien, gleichsam zum fliegen zu bringen und in uns betrachtenden die widersprüchlichsten gefühle hervorzurufen. die bilder sind gleichzeitig anziehend und bedrohlich und scheinen eher aus einer traum- und fantasiewelt zu stammen, denn aus der wirklichkeit. «dashboard talisman» gibt mit malereien jener seltsam knautschigen tierchen, die an den rückspiegeln der autos hängen, einblick in eine weitere spielart menschlicher biederkeit.

«silent inhabitants» beschäftigt sich mit schmarotzern und thematisiert in malerischer schichtung vor allem ein gefährliches brodeln unter der oberfläche. die jüngste gruppe von malereien heisst «bird wars» und zeigt an motiven aus der englischen geschichte vögel, vor allem falken, und vogelmenschen. auch hier entwickelt lumsden ein ziemlich abstruses und unheimliches bildvokabular, das grosses assoziationspotenzial besitzt.

für den «show down» hat rachel lumsden keine malereien mitgebracht, sondern die zwei eigens für die ausstellung produzierten videoarbeiten «ex und hopp» und «flight of stairs».

«ex und hopp» ist ein doppelbödiger kurzfilm. in einer leichten und, nicht zuletzt weil sie unperfekt ist, witzigen inszenierung sehen wir ein ästeknäuel, wie wir es bestens aus western-filmen kennen, die exex-treppe hinunterrollen. der wind, oder eine un-sichtbare hand, weht das knäuel dann über die bar, den fenstern entlang, durch den ausstellungsraum und schliesslich auf die strasse hinaus, wo es den oberen graben hinunter – eigentlich über die prärie – unseren blicken entschwindet. wenn der wind weht und dieser «tumbleweed», zu deutsch ein «steppenläufer», durch den sand und über die verwaisten bahngeleise geblasen wird, droht gefahr. gebannt warten wir bis ein paar staubiger stiefel das bild betritt, ein desperado oder cowboy, der sich gleich ein gefecht mit einem versteckten feind liefern wird. ganz so dramatisch und gefährlich wird es hier nicht zugehen, aber immerhin, der «show down» läuft und veränderungen stehen tatsächlich an …

auch « flight of stairs» ist eine vielschichtige arbeit. sie spielt auf der wunderbar geschwungenen treppe, die ins obergeschoss führt. die besucherinnen und besucher unserer ausstellungen wissen nicht, wohin die treppe führt, denn der obere stock war die letzten jahre nicht zugänglich. lumsden will nun, dass die treppe begehbar wird und behandelt sie gleichzeitig als gefahrenzone. da hier also wie es scheint unbekanntes auf den bezwinger lauert, es ist wichtig, dass die besteigerinnen auf das gefahrenpotential des ortes aufmerksam gemacht werden. in der manier jener vorstellung, die uns die hostess vor jedem flug gibt, führt uns das video eine adrette dame vor, die diskret zeigt, wie man sich auf der treppe zu verhalten habe, eine sanfte stimme im hintergrund beschreibt unaufdringlich die versteckten fallen.

während wir schon tausendmal ohne etwas zu denken die verschiedensten treppen hinauf und hinunter gestiegen sind, beginnen wir jetzt plötzlich uns gedanken zu machen, gedanken, die uns leicht aus dem tritt bringen. die übertriebe warnung, die uns mahnt, beim treppensteigen ja nichts falsch zu machen und uns um gottes willen an die sicherheitsvorschriften zu halten macht uns bewusst, dass hinter jeder ecke gefahren lauern. ein wunder eigentlich, dass nicht öfter etwas passiert …

gleichzeitig ist die übersteigerte darstellung natürlich auch sehr komisch und die ironie des textes im hintergrund und der gesten der hostess machen uns schnell bewusst, wie unbedenklich die treppe in wirklichkeit bestiegen werden kann – auch ohne dass wir vorher unser mobiltelefon ausschalten. wir müssen uns dabei nur sehr in acht nehmen, dass wir jetzt nicht übermütig und leichtsinnig werden …

«flight of stairs» spielt feinsinnig mit den (schönen) oberflächen und den abgründen, die sich dahinter auftun. und damit wären wir doch wieder bei den themen von lumsdens malerei gelandet. vielleicht ist von dort doch kein so langer weg zu den beiden videoarbeiten, die heute hier eröffnet werden.

matthias kuhn