pool position #05.

katharina dunst. zur arbeit von martina gmür.

Ganz leise hat sich eine andere Täuschung eingeschlichen. An der unteren Wahrnehmungsgrenze ist der Riss, der nicht direkt auf die Wand, sondern auf selbstklebende Folie gemalt und auf den Verputz angebracht ist. Materiell präsentiert er sich äusserst harmlos im Gegensatz zu seiner krassen Wirkung. An ganz alte Malereiideale schliesst diese Arbeit an, worin einem Maler oder einer Malerin Qualität zugestanden wurde, je täuschender er/sie die Realität abzubilden vermochte.

Aber es ist nicht nur die Illusion dieses subtilen Eingriffs, die in der Arbeit Martina Gmürs besticht. Der Riss reflektiert in sich schon das Wechseln von der einen zur anderen Seite. Hier gibt es ein Kippen in verschiedene Richtungen. Man kann sich auf die Illusion einlassen und die Wand gerissen sehen, der Wunsch ensteht, ins Dahinterliegende zu blicken und dadurch etwas sonst Verborgenes zu entdecken. Risse offenbaren; in einer Filmvorführung zum Beispiel zeigen Risse die Medialität des Erlebenisses auf. Man wird von einer Existenz in einer vorgespielten Realität in eine andere geholt; die Apparaturen erscheinen. Lucio Fontana schnitt in die monochrom bemalte Leinwand und nannte das «Concetto spaziale», Raumkonzept, und gab damit einen Hinweis auf eine neue Dimension.

Der Riss von Martina Gmür aber ist selber gerissen. Er trägt also die Offenbarung seiner auf Täuschung angelegten Art in sich. Ein ehrliches Bild. Es reagiert mit der Umgebung, es reagiert als Bild, das immer eine Scheinhaftigkeit hat und weist gleich selbst auf seine Existenz als Spiel hin. Man kann mitspielen und wird nie enttäuscht. Wunderbar mit welcher Einfachheit Martina Gmür einen hier zum Bleiben und Hin- und Herwechseln einlädt.

 

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riss (2003). acryl auf plastikfolie.